Die türkische Regierung ist vom Parlament mit der Befugnis ausgestattet worden, Militäreinsätze in Syrien anzuordnen. Hintergrund eines möglichen Militäreinsatzes auf syrischem Staatsgebiet war der Beschuss des türkischen Grenzdorfes Akcakale nahe der Grenze zu Syrien durch syrische Truppen. Die syrische Regierung hat sich inzwischen für den versehentlichen Beschuss entschuldigt. Bei einem türkischen Gegenschlag gegen die Kräfte der regulären syrischen Armee kam es unterschiedlichen Berichten nach zu mehreren Toten.
Die Außenminister der NATO-Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich, Clinton, Hague und Fabius, betonten ihre Solidarität mit der Türkei. Sie gaben jedoch auch zu erkennen, dass sie eine weitere Eskalation des Konflikts ablehnen. Bundeskanzlerin Merkel verurteilte den Angriff auf Akcakale, mahnte aber gleichzeitig zur Besonnenheit.
Aufgrund der Haltung der NATO-Staaten und der Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ist davon auszugehen, dass keine der beteiligten Regierungen offen in Syrien intervenieren möchte. In einer kurzen Erklärung verurteilte der NATO-Rat nach einer Dringlichkeitssitzung nach Artikel 4 des NATO-Vertrages den syrischen Angriff auf die Türkei. Artikel 4 sieht im Vergleich zum Artikel 5 des Nordatlantikpaktes keine Beistandspflicht vor.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 5. Oktober berichtet, dass nach Angaben von nicht namentlich genannten Diplomaten niemand in der westlichen Militärallianz eine direkte militärische Intervention wolle. Ferner habe selbst die türkische Führung kein Interesse an einem NATO-Bündnisfall nach Artikel 5, da sie in diesem Fall die Befehlsgewalt über ihre Truppen verlöre, so der Bericht weiter.
Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wurde der syrische Angriff ebenfalls verurteilt, obwohl Russland als eine der letzten Verbündeten Syriens bisher jede scharfe Verurteilung im Sicherheitsrat gestoppt hatte.
Der Emir von Katar forderte Ende September bereits ein Eingreifen der Nachbarstaaten gegen das syrische Regime, da der Sicherheitsrat durch die Blockade Russlands und Chinas seiner Verantwortung nicht gerecht werde. Exilgruppierungen und die syrische Opposition fordern seit Langem ein Eingreifen zum Beenden des Bürgerkrieges. In einem Gastkommentar für die „Neue Zürcher Zeitung“ bezeichnet UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Lage in Syrien als „regionale Katastrophe mit globalen Konsequenzen“,in der von beiden Seiten „brutale Menschenrechtsverletzungen“ begangen werden. Aufgrund der andauernden Bürgerkriegsauseinandersetzungen mit vielen zivilen Opern ist nicht ausgeschlossen, dass der Druck auf westliche Regierungen steigt, auch ohne ein explizites Mandat durch den Sicherheitsrat vor dem Hintergrund der Völkerrechtsnorm einer „R2P“ („Responsibility to Protect“) einzugreifen. Demnach wäre ein Interventionsgrund, wehr- und schutzlose Bevölkerungsgruppen vor Gewalt zu schützen.
Allerdings hegt auch das US-Verteidigungsministerium Zweifel an einem sinnvollen Einsatz in Syrien. Wie die „FAZ“ weiter berichtet, ließe sich zum einen die Lage durch eine Intervention nicht verbessern. Zum anderen wisse man nicht genug über die Aufständischen, die man letztlich mit einem großangelegten Militäreinsatz unterstützen würde.
Angesichts dieser Lage ist davon auszugehen, dass der Westen weiterhin auf verdeckte Operationen seiner Nachrichtendienste sowie seiner Spezialeinsatzkräfte setzt (K-ISOM berichtete mehrfach), entweder zwecks Unterstützung der regimefeindlichen Kräfte oder zwecks Sabotage des Regimes bzw. seiner militärischen Infrastruktur. Zu dieser Einschätzung gelangte bereits Anfang des Jahres eine kurze Analyse der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ in Berlin. Die USA hatten zudem mehrfach betont, bei einer drohenden Verlegung oder gar einem Einsatz von biologischen und chemischen Kampfstoffen durch das syrische Regime eingreifen zu wollen.
Mehr zur Situation in Syrien: http://www.spiegel.de/politik/ausland/emir-von-katar-fordert-bei-uno-intervention-in-syrien-a-857954.html;
Hintergründe zu einer humanitären Intervention: http://www.welt.de/debatte/die-welt-in-worten/article106622090/Der-schmale-Grat-einer-Intervention-in-Syrien.html; http://www.nzz.ch/meinung/debatte/wohl-der-menschen-als-hoechstes-gut-1.17662306
Grafik, die den langsamen Zerfall des Regimes durch Überläufer zeigt: http://www.aljazeera.com/indepth/interactive/syriadefections/2012730840348158.html