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Syrien: ‚Arabellion‘ zwischen Regional- und Religionskrieg

Die Lage im syrischen Bürgerkrieg ist weiter unübersichtlich und explosiv. Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Rebellen um die nordsyrische Wirtschaftsmetropole Aleppo dauern bereits drei Wochen an. Während die Hauptstadt Damaskus nach übereinstimmenden Medienberichten wieder weitgehend unter der Kontrolle von regimetreuen Assad-Truppen ist, lassen sich die Aufständischen trotz Artilleriebeschusses nicht aus der strategisch wichtigen Stadt Aleppo vertreiben.

Eine Verhandlungslösung des Bürgerkrieges ist nicht in Sicht. Zwei Gefahrenlagen ergeben sich aus der derzeitigen Situation in Syrien.

Gefahrenlage 1 – Bürgerkrieg wird Religionskrieg: Die syrische Opposition verfügt über keine integrative Führungsfigur, hinter der sich die vielfach lokalen Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA) versammeln könnten. Aufgrund dieser Zersplitterung des politischen und militärischen Widerstands ist auch nach einem Ende des Assad-Regimes mit weiteren bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu rechnen. Insbesondere der religiöse und ökonomische Gegensatz zwischen der alawitischen Minderheit um die Assad-Familie und der sunnitischen Mehrheit wird in einer Übergangsphase offen ausbrechen. Zeitungsberichten zufolge kämpfen auch immer mehr radikale Islamisten gegen das Regime, deren Disziplin und militärischen Fähigkeiten der FSA willkommen sind.

Gefahrenlage 2 – Vom Bürger- zum Regionalkrieg: Neben religiösen Gegensätzen ist ein Übergreifen des Konflikts auf die Nachbarländer eine Gefahr. Bereits am Freitag kam es an der Grenze zu Jordanien zu einem kurzen Feuergefecht zwischen syrischen und jordanischen Kräften.

Der syrisch-türkische Konflikt könnte durch die Unterstützung des Assad-Regimes für die syrischen Kurden verschärft werden. Jedwede kurdische Autonomie könnte die Türkei als Anlass für eine Intervention nutzen, um weitere Unabhängigkeitsbestrebungen der kurdischen Bevölkerung in der Türkei selbst zu ersticken.

Möglich ist auch der Versuch seitens der Regierung in Damaskus, Israel durch Grenzprovokationen in den Konflikt hineinzuziehen. Bereits im vergangenen Jahr versuchten Syrer, die israelischen Grenzbefestigungen auf dem Golan zu überwinden. Ein Eingreifen Israels würde die Herrschaft Assad vermutlich wieder stabilisieren.

Eine Internationalisierung des Krieges durch Intervention von außen ist am wahrscheinlichsten in dem Falle, in dem die syrischen C-Waffen-Bestände eingesetzt werden oder drohen, in die falschen Hände zu geraten. Die USA, die Türkei und Jordanien bereiten sich auf ein solches Szenario vor. Der Besuch der US-Außenministerin Clinton in der Türkei diente unter anderem dazu, sich im Hinblick auf ein Eingreifen abzustimmen. Beide Seiten bekundeten, dass das Assad-Regime fallen werde. Gerhard Schindler, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes bestätigte diese Einschätzung in einem Interview in der „Welt“: „Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die Endphase des Regimes begonnen hat.“

Hintergrundinformationen zur Lage in Syrien: http://www.n-tv.de/politik/BND-sieht-Regime-am-Ende-article6945301.html; http://www.debka.com/article/22266/US-sets-up-teams-with-Israel-Jordan-Turkey-against-chemical-attack-

Hintergründe zur Freien Syrischen Armee: http://observers.france24.com/content/20120810-syria-free-syrian-army-structure-funding-ideology-methods-fight-against-assad-regime