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Afghanistan-Abzug: De Maizières Besuch – Special Operations Joint Task Force gebildet

Verteidigungsminister Thomas de Maizière traf am 12. November zu einem Überraschungsbesuch in Afghanistan ein. Er besuchte als erstes das deutsche Feldlager in Masar-i Scharif, danach traf er sich mit seinem afghanischen Amtskollegen in Kabul. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums besprachen die Minister den Abzug bis 2014 sowie Fragen der Ausrüstungshilfe und der Ausbildungsmöglichkeiten durch die Bundeswehr nach dem Abzug des Großteils westlicher Kampftruppen aus dem Land. Laut Minister de Maizière seien die afghanischen Sicherheitskräfte auf einem guten Weg. „Die Zahl ist nahezu erreicht, die Qualität ist sehr gut geworden“, sagte der Minister auf einer anschließenden Pressekonferenz. Der afghanische Verteidigungsminister Khan widersprach vielfach geäußerten Einschätzungen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte nach einem Abzug der ausländischen Kampftruppen nicht eigenständig für Sicherheit im Land sorgen könnten. „Das entbehrt jeder Grundlage und ist unwahr“, betonte Khan.

Die Bedrohungslage in Afghanistan hat sich allerdings nicht grundlegend gebessert. Nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung registrierte die ISAF zwischen dem 29.10.12 und dem 4.11.12 in Afghanistan über 480 Sicherheitsvorfälle (Schusswechsel, Gefechte, Sprengstoffanschläge sowie indirekter Beschuss durch Mörser und Raketen). Alleine in diesem Zeitraum fielen sechs Soldaten der ISAF und weitere 47 wurden verwundet.

Übung von Spezialkräften. Trainiert wurden im Mai 2012 das Festnehmen von Aufständischen sowie die Einsatzschießausbildung („Live-Fire-Exercise“).  Bild: US Department of Defense

Übung von Spezialkräften. Trainiert wurden im Mai 2012 das Festnehmen von Aufständischen sowie die Einsatzschießausbildung („Live-Fire-Exercise“). Bild: US Department of Defense

Die Afghan National Army (ANA) hatte nach Zählung des US Congressional Research Services in Washington D.C. zwischen Januar und Juni 2012 insgesamt 173 Tote zu beklagen, hinzu kamen in diesem Zeitraum 327 Verwundete. Im selben Zeitraum wurden 349 Angehörige der afghanischen Nationalpolizei, der lokalen Polizeibehörden und der Grenzpolizei getötet, 418 wurden verwundet.

Nach ISAF-Angaben verfügt die ANA derzeit über eine Ist-Stärke von knapp 185.000 Soldaten. Die Soll-Stärke umfasst 187.000 Mann (Stand: Oktober 2012). Im Jahr 2012 lagen die durchschnittlichen Verluste der ANA (Tote und Verwundete) bei 243 im Monat.

Die Afghan National Police hat zurzeit einen Personalbestand von 146.339. Das Ziel ist, bis Dezember 2013 insgesamt 157.000 Polizisten trainiert, ausgebildet und im Einsatz zu haben. Im Jahr 2012 lagen die durchschnittlichen monatlichen Verluste der Polizei bei 292.

Neben den Verlusten bestimmen weitere Faktoren die Qualität der afghanischen Sicherheitskräfte. Der Bildungsgrad der Rekruten ist sehr niedrig. So können nach Angaben der ISAF 85 Prozent der Rekruten zu Beginn ihrer Ausbildung nicht lesen oder schreiben. Nach vier Wochen erreichen diese Rekruten das Leseniveau von Grundschülern, so die ISAF.

Ein weiteres Problem des schon begonnen Abzugs der ISAF-Truppen zeigt sich anhand der Ausrüstung der afghanischen Sicherheitskräfte, die Ende 2014 die Sicherheitsverantwortung in allen Landesteilen übernehmen sollen. So müssen im Osten des Landes Esel die Hauptlast des Nachschubs für die entlegenen Außenposten tragen. Bisher flogen US-Hubschrauber Versorgungsgüter zu den teilweise schwer zugänglichen Stützpunkten. „Esel“, so Oberst Abdul Nasseeri, ein afghanischer Bataillonskommandeur, „sind die afghanischen Helikopter“.

General Martin Dempsey, Generalstabschef der USA, zusammen mit dem Generalstabschef der ANA, Generalleutnant Sher Mohammad Karimi, und dem Kommandeur der ANA-Spezialkräfte, Brigade-General Said Abdul Karim, während eines Besuches im April 2012, umgeben von einer Gruppe von afghanischen Spezialeinsatzkräften im „Camp Morehead“ in Afghanistan. Bild: ISAF

General Martin Dempsey, Generalstabschef der USA, zusammen mit dem Generalstabschef der ANA, Generalleutnant Sher Mohammad Karimi, und dem Kommandeur der ANA-Spezialkräfte, Brigade-General Said Abdul Karim, während eines Besuches im April 2012, umgeben von einer Gruppe von afghanischen Spezialeinsatzkräften im „Camp Morehead“ in Afghanistan. Bild: ISAF

Nach 2014 werden aller Wahrscheinlichkeit nach Spezialeinsatzkräfte der USA, anderer NATO-Staaten sowie der afghanischen Armee die Hauptlast im Kampf gegen regierungsfeindliche Kräfte tragen. Verteidigungsminister de Maizière hat in einem Interview mit der „FAZ“ vom Mai dieses Jahres nicht ausgeschlossen, dass Spezialeinsatzkräfte als Teil der Ausbildungsmission und für Operationen zur Terrorismusbekämpfung nach 2014 in Afghanistan bleiben werden.

Ein Kommando der ANA durchsucht ein Anwesen während einer Säuberungsoperation im Chak-Bezirk der Wardak-Provinz am 13. Oktober 2011. Spezialeinsatzkräfte der ANA und der Koalitionstruppen führten diese Operation durch, um die Aktivitäten von Aufständischen zu unterbinden und in ihren Rückzugsgebieten Präsenz zu zeigen. Bild: U.S. Army Photo/Staff Sgt. Kaily Brown

Ein Kommando der ANA durchsucht ein Anwesen während einer Säuberungsoperation im Chak-Bezirk der Wardak-Provinz am 13. Oktober 2011. Spezialeinsatzkräfte der ANA und der Koalitionstruppen führten diese Operation durch, um die Aktivitäten von Aufständischen zu unterbinden und in ihren Rückzugsgebieten Präsenz zu zeigen. Bild: U.S. Army Photo/Staff Sgt. Kaily Brown

Ein Sprecher von USSOCOM sagte gegenüber dem US-Internetportal „The Hill“ , dass eine Special Operations Joint Task Force – Afghanistan (SOJTF-A) die afghanischen und alle 23 ausländischen Spezialeinsatzkräfte bündeln werde. Die afghanischen Spezialkräfte werden aber voraussichtlich weiter alleine der afghanischen Regierung unterstehen. Die SOJTF-A wurde 2012 zusammengestellt. Kommandiert wird sie von dem amerikanischen Generalmajor Tony Thomas. Die Task Force wird nach dem Abzug der konventionellen Kamptruppen sowohl bei der Ausbildung der afghanischen Einheiten als auch bei Aktionen gegen regierungsfeindliche Kräfte die Verantwortung übernehmen.

Mehr zur Rolle von Spezialkräften in Afghanistan: http://www.washingtonpost.com/world/national-security/us-to-elevate-special-operations-forces-role-in-afghanistan/2012/02/05/gIQAK3VMsQ_story.html

Hintergrundbericht über die Planungsprobleme einer Post-2014-Mission: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nato-afghanische-vorbereitungen-11935591.html

Interview mit NATO-Generalsekretär Rasmussen über den Abzug und die mögliche Mission nach 2014: http://www.faz.net/aktuell/politik/arabische-welt/nato-generalsekretaer-rasmussen-2014-endet-unser-kampfeinsatz-11896461.html