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BW-Einsatz im Innern: Neues Urteil, alte Rechtsunsicherheiten

Bundeswehreinsätze im Inland sind unter bestimmten Voraussetzungen nun möglich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 17. August entschieden, dass die Bundesregierung den „Einsatz spezifisch militärischer Abwehrmittel“ der Bundeswehr im Inland nur in „äußersten Ausnahmefällen“ und als letztes Mittel („ultima ratio“) erlauben darf. Eine solche Einsatzentscheidung bedürfe jedoch der Entscheidung der gesamten Bundesregierung und dürfe daher auch in Fällen hoher Dringlichkeit nicht an einzelne Regierungsmitglieder übertragen werden. Den „Einsatz spezifisch militärischer Kampfmittel“ erlaubt der Beschluss unter „engen Voraussetzungen“ im Falle „ungewöhnlicher Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“ – darunter fallen auch Terrorangriffe.

Ein solcher Unglücksfall muss nach Ansicht der Richter bereits vorliegen, auch wenn ein daraus resultierender Schaden noch nicht eingetreten sein muss. „Der Unglücksverlauf muss aber bereits begonnen haben und der Eintritt eines katastrophalen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehen“, heißt es in der Pressemitteilung des Verfassungsgerichts weiter.

Im Rahmen dieses Beschlusses darf die Bundesregierung zwar die Bundeswehr und militärische Kampfmittel im Inland einsetzen, ausdrücklich davon ausgeschlossen werden aber Einsätze gegen eine demonstrierende Menschenmenge oder der Abschuss eines von Terroristen entführten Flugzeuges mit Zivilisten an Bord. Ein solches Flugzeug darf auch weiterhin lediglich abgedrängt, zur Landung gezwungen, mit dem Einsatz von Waffengewalt bedroht oder durch Warnschüsse bekämpft werden.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, begrüßte den Beschluss vom Grundsatz her. Er kritisierte jedoch das zeitaufwändige Entscheidungsverfahren in einem Ernstfall, bei dem die gesamte Bundesregierung entscheiden müsse. „Das kostet Zeit und davon hat man in diesen Fällen nur sehr wenig“, so Kirsch.

Der Richter des Bundesverfassungsgerichts, Gaier, vertritt eine abweichende Meinung in einem Sondervotum: Der erweiterte Einsatz bewaffneter Kräfte böte zum einen keine „messbaren Vorteile“ beim Schutz vor terroristischen Angriffen. Zum anderen fehle es den Einsatzvoraussetzungen an Klarheit, Berechenbarkeit und der notwendigen Objektivität.

Der Verfassungsrechtler Degenhart nannte den Beschluss des Gerichts eine „unklare Entscheidung“, weil der Begriff des Unglücksfalles zu viel Interpretationsspielraum zuließe. Fachleute befürchten, dass im Ernstfall die Führungsstellen der Polizei und der Bundeswehr in einer unklaren Rechtslage schnelle Entscheidungen treffen müssten.

Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet, erwägt man in der Bundesregierung, den Bundessicherheitsrat über einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren entscheiden zu lassen. Der Bundessicherheitsrat ist ein Kabinettsausschuss der Bundesregierung unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin, der in unregelmäßigen Abständen geheim tagt und die Sicherheitspolitik der Bundesregierung koordiniert.

Hintergründe:

http://www.sueddeutsche.de/politik/einsatz-der-bundeswehr-im-inneren-was-sich-mit-der-karlsruher-entscheidung-aendert-1.1443366

http://www.cicero.de/berliner-republik/bundesverfassungsgericht-erlaubt-militaereinsaetze-in-deutschland/51586

Interview mit dem Staatsrechter Degenhart: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1843171/