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Vor 40 Jahren: Drama in München, Desaster in Fürstenfeldbrück und der Durchbruch für die GSG 9

Gegen Mitternacht, in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1972, wird von deutscher Seite vorschnell bestätigt, dass die Befreiungsaktion zur Rettung der israelischen Sportler erfolgreich verlaufen sei. Erst um 2.30 Uhr informiert der Pressesprecher des Organisationskomitees, Klein, die Presse über den Fehlschlag auf dem Fliegerhorst bei München. Neun israelische Geiseln und der deutsche Polizist Anton Fliegerbauer waren bei dem missglückten Befreiungsversuch umgekommen.

Am 5. September 1972 überfielen palästinensische Terroristen des „Schwarzen September“ die israelische Olympia-Mannschaft im Olympischen Dorf in München, erschossen den Gewichtheber, Josef Romano, und ließen den verwundeten Ringer-Trainer, Mosche Weinberg, im Laufe des Tages sterben. Die Terroristen forderten die Freilassung von Palästinensern in Israel sowie japanischen und deutschen Gesinnungsgenossen. Nach zähen Verhandlungen stimmten die Terroristen zu, vom Fliegerhorst Fürstenfeldbruck aus mit den verbliebenen neun Geiseln zusammen nach Kairo ausgeflogen zu werden.

Der Befreiungsversuch deutscher Polizisten auf dem Militärflughafen scheiterte aus vielerlei Gründen: zu wenige und nur unzureichend ausgebildete deutsche Scharfschützen, zu wenig Licht beim Zugriff, keine Sprechfunkverbindung untereinander und keine Kenntnis bei den Einsatzkräften vor Ort darüber, wie viele Geiselnehmer es gab.

Von den Terroristen wurden fünf getötet, drei wurden verletzt. Ende Oktober 1972 wurde eine Lufthansa-Maschine von einem weiteren Terrorkommando der Palästinenser nach Zagreb entführt. Ohne erkennbare Verhandlungen ließ die Bundesregierung die drei überlebenden Palästinenser dorthin bringen. Zusammen mit den Geiseln flogen die Attentäter nach Libyen, wo die überlebenden Mitglieder von „Schwarzer September“ als Helden empfangen wurden.

Kürzlich freigegebene Dokumente bringen noch immer kein Licht in alle bis heute ungeklärten Aspekte des Geiseldramas von München. Unterschiedliche Dokumente westdeutscher Behörden belegen jedoch, dass der damalige westdeutsche Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Auswärtige Amt sowie das Bayerische Landeskriminalamt eine Bedrohung für die Olympischen Spiele durch Terroristen erkannte und Aktionen als realistisch erachtete. Das Sicherheitskonzept für die Spiele wurde dennoch nicht dieser Bedrohungslage angepasst. Neue Erkenntnisse deuten zudem darauf hin, dass westdeutsche Rechtsextremisten den Attentätern in München im Vorfeld geholfen hatten.

Die Regierung Israels veröffentlichte im August ebenfalls bisher geheim gehaltene regierungsinterne Dokumente aus der Zeit vom 5. September bis zum 8. November 1972. Teile der Dokumente wurden jedoch redaktionell bearbeitet, weil sie noch immer der Geheimhaltung unterliegen. Im Zentrum der Veröffentlichungen steht der Bericht des damaligen Chefs des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, Zwi Zamir, der Augenzeuge des Geschehens in Fürstenfeldbruck gewesen war. Er berichtete von der „Inkompetenz“ und „Gleichgültigkeit“ der deutschen Behörden und warf ihnen vor, nichts riskiert zu haben, um die Geiseln noch zu retten.

Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nach, sagte Zamir im Juni dieses Jahres auf einer Tagung in Israel, dass es damals „keine Chance“ gegeben habe, die israelische Antiterroreinheit rechtzeitig nach München zu bringen. Bis heute ist auch nicht eindeutig geklärt, ob die Israelis den deutschen Behörden den Einsatz ihrer eigenen Terroreinheit überhaupt angeboten haben.

Eine operativ einsatzbereite, taktisch eingespielte und effektiv gegen Schwerstkriminalität oder eine solche Geisellage einsetzbare Polizei-Einheit existierte damals in der Bundesrepublik nicht. Der damalige Bundesinnenminister Genscher sah unmittelbar nach den Ereignissen die Notwendigkeit „neuer Formen polizeilicher Reaktion“ und beauftragte seinen Verbindungsoffizier zum BGS, Hauptmann Wegener, ausländische Antiterroreinheiten zu besuchen, um dann ein Konzept für eine eigene Antiterroreinheit vorzustellen. Laut Genscher bewilligte der Bundestag schnell sechs Millionen DM für den Aufbau der GSG 9. Der ehemalige Professor an der Bundeswehruniversität, Wolffsohn, bewertet in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die Bedeutung der GSG 9, die als Konsequenz aus Fürstenfeldbruck entstand: Die „prinzipielle Weichheit“ [der Bundesregierung gegenüber terroristischen Bedrohungen] wurde durch den späteren Bundeskanzler Schmidt ergänzt, nämlich „durch die Willigkeit und Fähigkeit zu punktueller Härte“. Dies, so Wolffsohn, „war und ist der Grundgedanke der Antiterroreinheit GSG 9“.

Bericht über die Gedenkfeier in Fürstenfeldbruck: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/scharfe-kritik-an-ioc-beim-gedenken-an-olympia-attentat-die-spiele-waren-wichtiger-als-das-leben-von-juden-1.1460124;

Berichte über neueste Erkenntnisse aus deutscher und israelischer Sicht: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87508597.html; http://www.jpost.com/NationalNews/Article.aspx?id=283032; http://www.bild.de/politik/ausland/mossad/israel-gibt-die-notizen-des-damaligen-geheimdienst-chefs-frei-25936190.bild.html,

Hintergrundbericht, in dem auch die Ungereimtheiten über den möglichen Einsatz der israelischen Sayeret-Matkal thematisiert werden: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/muenchen-1972-ein-furchtbarer-fehlschlag-11878983.html

Erinnerungen des überlebenden BGS-Piloten: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/muenchen-1972-eine-schreckensnacht-die-nicht-endet-11877976.html

Hier ein Überblick mit Infografiken: http://www.welt.de/politik/deutschland/article108480206/Muenchen-1972-das-Protokoll-einer-Katastrophe.html