«

»

Afghanistan: Insider Shootings – Aufruhr – Anerkennung für Marines

Die Protestwelle gegen einen in den USA produzierten, islamkritischen Film hat auch Afghanistan erreicht. In der Hauptstadt Kabul kam es am Montag zu Protesten vor einem von den US-Streitkräften geführten Lager. Nach Behördenangaben wurden dabei 20 Polizeibeamte verletzt, berichtet „Tagesschau.de“. Wie „Spiegel Online“ meldet, ist aus der Menge heraus auf die Polizeikräfte geschossen worden. Für diese Entehrung des Propheten würden die Amerikaner bezahlen, sagte einer der Demonstranten zur Nachrichtenagentur Reuters. Heute kam es zu einem Selbstmordanschlag, bei dem 12 Personen, darunter neun Ausländer, in Kabul ums Leben kamen.

Bei einem aus ISAF-Sicht gut organisierten Angriff der Taliban am Freitag auf das ISAF-Lager in Süd-Afghanistan, in dem der englische Prinz Harry derzeit Dienst tut, sind zwei ISAF-Kräfte ums Leben gekommen. Die Angreifer trugen US-Uniformen. Zudem zerstörten sie sechs „Harrier”-Kampfflugzeuge des US Marine Corps und beschädigten zwei weitere erheblich. Die ISAF bestätigte, dass 14 Angreifer getötet wurden, einer überlebte. Ein Taliban-Sprecher sagte am Wochenende, der Angriff sei ein Racheakt für das in den USA produzierte anti-islamische Video gewesen.

Am Sonntag wurden vier Soldaten der internationalen Schutztruppe von einem Afghanen in Polizeiuniform getötet. Bereits einen Tag zuvor wurden zwei britische Soldaten von einem Angreifer in einer Polizeiunform erschossen. Bei solchen „Insider Shootings“ ( oder „Insider attacks“, „Green-on-blue-Shootings“) richten afghanische Männer in den Uniformen der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Angehörige der einheimischen Polizei oder Armee ihre Waffen gegen die internationalen Kräfte. In diesem Jahr kamen bei diesen Vorfällen 51 ISAF-Kräfte ums Leben.

Der Kommandeur der ISAF, General Allen, teilte in einer Erklärung vom 6. September mit, dass es für diese Art der Bedrohung durch „Insider attacks“ keinen einfachen bzw. einen einzigen Lösungsansatz gebe. Anfang September hat die ISAF die Ausbildung afghanischer Rekruten für die lokale Polizei ausgesetzt, um mögliche infiltrierte Taliban-Kämpfer zu identifizieren. Heute teilte das Pentagon mit, es habe angesichts der Protestwelle und der Insider-Angriffe die Zusammenarbeit mit afghanischen Kräften unterhalb der Bataillonsebene vorerst eingestellt.

Das Ziel der Attacken auf NATO-Kräfte besteht darin, die Unsicherheit bei den ISAF-Kräften zu erhöhen. Bis 2014 sollen die NATO-Kampftruppen die Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte abgeben. Bis dahin werden sich die Kräfte Schritt für Schritt aus der Führung von Operationen zurückziehen. Beraterteams sollen die afghanischen Einsatzkräfte dann zunehmend unterstützen. Der US-Generalmajor John F. Campbell, Kommandeur ISAF Regional Command – East, warnte bei einem Briefing Ende August in Kabul, dass der Abzug der Koalitionsstreitkräfte aus Afghanistan nicht mit dem ordentlichen und gewaltlosen Abzug der US-Truppen aus dem Irak zu vergleichen sein werde.

Am 14. September wurden in den USA die Soldaten der 2nd Marine Expeditionary Brigade mit der höchsten zu vergebenden Auszeichnung für ganze Einheiten im Namen des US-Präsidenten für ihren Kampf gegen Aufständische geehrt. Die Auszeichnung („Presidential Unit Citation“) wird für außerordentlichen Mut im Kampf verliehen. Die Brigade führte bei ihrem Einsatz im Helmand Fluss-Gebiet nicht nur den größten Hubschrauber-gestützten Angriff seit dem Ende des Vietnamkrieges durch, sondern sie setzte im Rahmen der Aufstandsbekämpfungsstrategie auch auf unorthodoxe Maßnahmen. So konnten religiöse Führer im Einsatzgebiet in Helmand dazu gebracht werden, sich gegen die Aufstandsbewegung aufzulehnen.

Hintergrundberichte zur Lage in Afghanistan: http://www.spiegel.de/politik/ausland/reaktion-auf-mohammed-film-tote-bei-selbstmordanschlag-in-kabul-a-856396.html; http://www.spiegel.de/politik/ausland/protest-gegen-mohammed-film-gewalt-bei-demo-in-afghanistan-a-856192.html; http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/kampfeinsaetze-verringert-nato-will-in-afghanistan-nur-noch-beraten-11839022.html

Hintergründe über Insider-Shootings: http://www.washingtontimes.com/news/2012/sep/18/pentagon-stops-training-partnering-afghan-troops-b/?utm_source=RSS_Feed&utm_medium=RSS; http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/afghanistan/9545986/Taliban-fighters-wore-US-Army-uniforms-in-attack-on-Prince-Harrys-base.html; http://www.longwarjournal.org/archives/2012/08/green-on-blue_attack.php

Eine ausführliche und übersichtliche Karte mit möglichen Szenarien für Afghanistan findet sich hier: http://www.theafghanconflict.de/

NATO-Videobericht über Insider-Shootings: http://www.natochannel.tv/?uri=channels/381662/1692242

Ehrung für Marines: http://www.washingtonpost.com/world/national-security/marines-honored-for-counterinsurgency-strategy-in-afghanistan/2012/09/14/12b0715e-feb8-11e1-8adc-499661afe377_story.html