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„Game Changer“, „Patriots“ und die „Hölle“ des arabischen Frühlings: Ein Lagebild des Syrien-Konflikts

Die Situation im Syrien-Konflikt schwankt nach fast zwei Jahren des Aufstands gegen das syrische Regime noch immer zwischen Gesprächsbereitschaft und Gewalteskalation. Eine Eindämmung oder gar ein Ende des Konflikts durch eine politische Verhandlungslösung einerseits oder durch den militärischen Sieg einer Konfliktpartei andererseits ist nicht abzusehen. Zu einer Ausweitung des Krieges durch das Überspringen des inner-syrischen Konfliktes auf Israel oder die Türkei und die dort stationierten Patriot-Einheiten der NATO-Verbündeten kam es bisher nicht. Die Führungen der relevanten Konfliktparteien in und um Syrien üben ihre Eskalationskontrolle aus, obwohl ein israelischer Luftangriff auf Ziele in Syrien die Risikobereitschaft der israelischen Regierung verdeutlichte, das strategische Gleichgewicht nicht durch sogenannte „Game Changer“ außer Kraft zu setzen.

Die israelische Luftwaffe hat Anfang Februar nach übereinstimmenden Berichten Ziele in Syrien angegriffen. Die israelische Regierung machte dazu keine näheren Angaben. Allerdings bestätigte der israelische Verteidigungsminister Barak auf der Münchner Sicherheitskonferenz die israelischen Luftangriffe indirekt, indem der betonte, dass die Zerstörung der Angriffsziele ein Beweis dafür sei, dass Israel das meine, was es sage. Die israelische Regierung hat immer betont, dass der Einsatz oder die Verlegung von biologischen oder chemischen Kampfstoffen der syrischen Streitkräfte oder eine Weitergabe von bestimmten Waffenbeständen an die Hisbollah-Milizen im Libanon von Israel nicht akzeptiert werde.

Die genauen Angriffsziele sind immer noch nicht bekannt (Hintergründe hier). Unterschiedlichen Einschätzungen nach wurde sowohl eine militärische Forschungseinrichtung bombardiert, die im Zusammenhang mit der Produktion von Waffen stehen soll, als auch ein Konvoi mit SA-17 Luftabwehrraketen, der für die libanesische Hisbollah bestimmt gewesen sein soll. Die israelische Position ist es, die Aufrüstung seiner Gegner mit bestimmten Waffensystemen um jeden Preis zu verhindern. Aus israelischer Sicht handelt es sich dabei um „Game Changer“. Dieser allgemeine Begriff meint eine plötzliche und grundlegende Veränderung von Kräfteverhältnissen durch Ereignisse oder Mittel. In diesem konkreten Fall hätte eine Stärkung der Luftabwehr-Fähigkeiten der israelfeindlichen Hisbollah israelische Aufklärungsflüge über dem Libanon risikoreicher gestaltet.

Der Kommandeur der israelischen Luftwaffe, Generalmajor Amir Eshel, betonte Ende Januar auf einer Konferenz in Israel, dass Israel sich derzeit in einem „Kampfeinsatz zwischen Kriegen“ („a campaign between wars“) befände. Diese Operationen rund um die Uhr, so Eshel weiter, würden mit bemannten und unbemannten Flugzeugen und mit „Bodentruppen“ geführt.

Der Hinweis auf Bodentruppen deutet darauf hin, dass Israel seine Spezialeinheiten für Operationen zum Zwecke der strategischen Fernaufklärung oder der Zielmarkierung für Luftangriffe einsetzt. Auch der Hinweis von Eshel, dass man alle Anstrengungen unternehme, um unterhalb der Kriegsschwelle zu bleiben, deutet auf den Einsatz von Spezialkräften hin, da nur diese über die Fähigkeiten verfügen, im Krisen- und Kriegsgebiet verdeckt zu operieren.

Syrien und der Iran drohten Israel mit Vergeltung (Bericht hier). Auch aus Sorge um Vergeltungsaktionen an seiner Nordgrenze, hat Israel Batterien des C-RAM (C-RAM: Counter Rocket, Artillery and Missile-System)-Abwehrsystems „Iron Dome“ („Eiserne Kuppel) in den Norden des Landes verlegt. Zudem bereitet es sich auf Angriffe von israelfeindlichen Gruppierungen an seiner Nordgrenze vor (siehe hier).

Die Schilder mit Entfernungsangaben auf dem Mount Bental auf den von Israel besetzten Golan-Höhen zeigen die Nähe Israels zu den Ereignissen – und damit das Eskalationspotenzial des Konflikts. Die syrische Hauptstadt Damaskus ist nur 60 Kilometer entfernt. Bild: Elmar Janssen

Die Schilder mit Entfernungsangaben auf dem Mount Bental auf den von Israel besetzten Golan-Höhen zeigen die Nähe Israels zu den Ereignissen – und damit das Eskalationspotenzial des Konflikts. Die syrische Hauptstadt Damaskus ist nur 60 Kilometer entfernt. Bild: Elmar Janssen

Ein offensiveres Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg hat der US-Senator McCain vorgeschlagen. Die in der Türkei stationierten Patriot-Flugabwehrsysteme sollten Kampfflugzeuge über dem nördlichen Teil des syrischen Territoriums abschießen, um somit Menschenleben zu retten. Neben deutschen Patriot-Batterien haben auch die Niederlande und die USA auf Bitten des türkischen NATO-Partners die Luftabwehr-Systeme in der Türkei stationiert (Hintergrundbericht hier). Die deutsche Bundesregierung betont stets, dass die Stationierung nur einen abschreckenden und rein defensiven Charakter habe. Die Gefahr, in den Konflikt in Syrien durch den Patriot-Einsatz, hineingezogen zu werden, sah bereits im Dezember der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Kirsch. Er warnte vor einem „Herbeireden“ eines Eingreifens.

In der Vergangenheit wurde immer wieder darüber spekuliert, wann die USA und Verbündete in Syrien mit spezialisierten Einheiten bzw. Spezialeinheiten eingreifen würden, um die biologischen und chemischen Waffen Syriens zu sichern (K-ISOM berichtete mehrfach). Zurzeit spricht nichts dafür, dass westliche Staaten und ihre nahöstlichen Verbündeten aktiv und offen in das Kampfgeschehen bzw. den Bürgerkrieg eingreifen. US-Präsident Obama sprach sich im letzten Jahr sogar dagegen aus, die syrische Opposition mit Waffen zu beliefern, obwohl seine engsten Berater dies befürworteten (mehr Information dazu hier).

Zurzeit berichten Medien übereinstimmend von heftigen Kämpfen in und um Damaskus. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen starben bisher 60.000 Menschen im syrischen Bürgerkrieg. Die Regierung Syriens hat sich derweil zu Gesprächen mit den Aufständischen ohne jegliche Vorbedingungen bereit erklärt.

Da sich aufgrund der derzeitigen Lage keine Konfliktpartei siegreich durchsetzen kann, ist davon auszugehen, dass die gewaltsame Konfliktaustragung in Syrien auf unbestimmte Zeit weitergeht. Selbst nach einem Fall des Assad-Regimes ist davon auszugehen, dass der politische Kampf um die Neuordnung des Landes weiter gehen wird, so wie es zurzeit in Ägypten oder in Tunesien geschieht. In diesen Ländern kam es schnell zu politischen Veränderungen im Rahmen der „Arabellion“ bzw. des „Arabischen Frühlings“. Der libanesische Politiker Michel Aoun sagte in einem Interview für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über die derzeitigen politischen und gewaltsamen Auseinandersetzungen und das fortwährende Aufbegehren gegen die neuen Autoritäten: „Es ist kein Frühling, sondern die Hölle.“

 

Bericht inkl. Video über alpine Spezialeinheit der israelischen Streitkräfte an der Grenze zu Syrien hier.