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Anti-Terror-Übung in der EU: Weiche Ziele und hartes Training für GSG 9 und Cobra

In der vergangenen Woche fand die bisher größte Anti-Terrorübung innerhalb der EU statt, an der in mehreren Orten innerhalb der Europäischen Union verschiedenen Spezialeinsatzkräfte unterschiedlichster Polizeibehörden bestimmte Einsatzszenarien übten (Zeitungsbericht mit Bildern und Video hier).

Diese Großübung mit rund 1.800 Einsatzkräften wurde von der Generaldirektion Inneres der Europäischen Kommission und der GSG 9 gemeinsam koordiniert. Die GSG 9 der Bundespolizei hat zurzeit den Vorsitz im ATLAS-Verbund von europäischen Spezialeinheiten inne.

Im Rahmen dieser grenzüberschreitenden Großübung simulierte man in neun EU-Staaten (Österreich Belgien, Irland, Italien, Lettland, Slowakei, Spanien, Schweden, Rumänien) terroristische Angriffe auf verschiedene Ziele in den Bereichen des öffentlichen Lebens, darunter Verkehrsmittel (Busse, Züge, Schiffe und Flugzeuge), öffentliche Einrichtungen (Schulen) und auf Kraftwerke.

Bereits im Jahre 2003 trainierte die GSG 9 zusammen mit der slowakischen UOU die Gegenmaßnahmen im Falle eines Terrorangriffes auf ein Kernkraftwerk (mehr über die UOUin der Ausgabe Nr. 3/2013 der „Kommando“).

Dass terroristische Angriffe auf solche ‚weichen Ziele‘ (ungeschützte bzw. kaum geschützte, zivile Ziele wie öffentliche Plätze, Gebäude, Infrastruktur- und Verkehrseinrichtungen mit vielen Menschen oder einem hohen Schadenspotenzial für das öffentliche Leben) das bevorzugte Ziel von Attentätern sind, zeigen die Bomben-Anschläge auf den Boston-Marathon und die vereitelten Anschläge auf Fernreisezüge in Kanada. Die Übung stand jedoch in keinem Zusammenhang mit den Anschlägen von Boston. Die EU-Übung wurde bereits seit Monaten geplant.

Das Ziel der europaweiten Krisenreaktionssimulation mit dem Namen „Gemeinsame Herausforderung“ („Common Challenge“) war es, die polizeiliche und politische Krisenreaktion bei einem solchen Szenario zu verbessern. Die taktischen Fähigkeiten der verschiedenen polizeilichen Spezialkräfte sind zwar auf einem vergleichbaren hohen Niveau, allerdings müssen bei grenzüberschreitenden bzw. mobilen Einsatzlagen die polizeilichen und die politischen Entscheidungsprozesse der verschiedenen Hoheitsbereiche koordiniert werden, um letztlich schnell und sinnvoll handeln zu können.

Die für den Bereich Inneres zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström erklärte zu der am 17. und 18. April stattfindenden Übung: „Die Bekämpfung des Terrorismus ist eine der größten Herausforderungen für unsere innere Sicherheit. Terrorismus kennt keine Grenzen, und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit stellt eine komplexe Aufgabe dar, die nur durch Koordinierung unserer Anstrengungen zu bewältigen ist. Ich unterstütze mit aller Kraft die Arbeit des ATLAS-Verbunds und bin überzeugt, dass wir mehr denn je der Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden in Europa bedürfen.“

Die deutsche GSG 9 übte zusammen mit dem österreichischen EKO Cobra (Einsatzkommando Cobra), der URNA, einer Einheit der tschechischen Polizei, und dem SEK aus Baden-Württemberg in Salzburg. Das Übungsszenario bestand dort aus einer Massen-Geiselnahme an einer internationalen Schule. Das EKO Cobra forderte daraufhin die anderen Einheiten zur Unterstützung an.

Der GSG 9-Kommandeur Lindner betonte in einem Interview im Februar, dass es bei dieser Großübung darum ginge, auf gleichzeitige Terrorangriffe mit vielen Geiseln nationenübergreifend zu reagieren. 

Der ATLAS-Verbund ist ein Zusammenschluss von 35 Spezialeinheiten der Polizei aus den 27 EU-Mitgliedsstaaten. Die Schweiz und Norwegen sind assoziierte Mitglieder in dem Verbund. Die Kooperation zwischen den Einheiten wurde nach den Terroranschlägen auf die USA im Jahre 2001 ins Leben gerufen. Der Zweck dieses Verbundes besteht darin, die operative Zusammenarbeit zwischen den Einheiten im Hinblick auf das taktische Vorgehen, den internationalen Erfahrungsaustausch, die Weiterentwicklung von Führungs- und Einsatzmitteln sowie die gemeinsame Aus-und Fortbildung mit Hilfe von gemeinsamen Übungen und Workshops zu koordinieren und auszubauen, um die Leistungsfähigkeit dieser polizeilichen Spezialeinheiten zu erhöhen.

Jedes Land entsendet einen Vertreter; nur Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Polen, Rumänien und Großbritannien werden durch jeweils zwei Angehörige von Spezialeinheiten vertreten. Deutschland wird durch die GSG 9 der Bundespolizei und durch das SEK aus Baden-Württemberg, stellvertretend für die Spezialeinsatzkräfte der deutschen Bundesländer, vertreten. 

Die praktische Arbeit von ATLAS erfolgt in verschiedenen Arbeitsgruppen, die für die Weiterentwicklung bestimmter Themenbereiche zuständig sind. So existiert eine Arbeitsgruppe „Entry“ (Zugangstechnik), die sich mit den Eindringmöglichkeiten und Taktiken beschäftigt. Weitere Arbeitsgruppen behandeln Techniken und Taktiken rund um Luftfahrzeuge, Gebäude und öffentliche Verkehrsmittel. Die GSG 9 leitet die Arbeitsgruppe für „Maritime Objekte“ („Naval Working Group“). 2010 fand in Rostock eine Großübung mit 400 Teilnehmern statt, bei der im Rahmen dieser Arbeitsgruppe die Befreiung eines gekaperten Schiffes geübt wurde.

Seit Oktober 2012 hat die GSG 9 den Vorsitz des ATLAS-Verbundes. Der Name ATLAS spielt an auf eine Figur aus der griechischen Mythologie. Atlas, der Sohn des Titanen Iapetos, trug im äußersten Westen der Erde den Himmel auf seinen Schultern.

 

Weiterführende Informationen zu der ATLAS-Übung:

Bericht mit Video hier.

– Bericht des ZDF Heute Journals vom 17. April 2013 über die Übung samt kurzem Interview mit GSG 9-Kommandeur Lindner (ab Minute 7:16)

Über das in verschiedenen Berichten auftauchende MARS-Einsatzfahrzeug berichtete K-ISOM.