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Anti-Terror-Einsatz in den USA: Anschlag auf weiche Ziele in Boston und harte Gegenmaßnahmen gegen „einsame Wölfe“

Einer der Attentäter, die in der vergangenen Woche Sprengstoff-Anschläge auf die Veranstaltung des Marathons in Boston verübten, stand auf einer geheimen FBI-Liste für potenzielle Terroristen. Der ältere der beiden Brüder, die die Anschläge verübt haben sollen – Tamerlan Zarnajew – sei auf dieser Liste als „radikaler Islamist“ aufgeführt worden, berichten verschiedene Medien übereinstimmend (siehe hier). Das FBI hat ihn nach eigenen Angaben im Jahr 2011 verhört, allerdings habe es damals keine Anzeichen für eine terroristische Aktivität bzw. eine aktive Bedrohung gegeben.

Der ältere der beiden Brüder starb nach einer Verfolgungsjagd bei einem Schusswechsel (Bilder) mit der Polizei. Er und sein jüngerer Bruder, der 19 Jahre alte Dschochar Zarnajew, sind die mutmaßlichen Attentäter, die die Bomben im Zielbereich der Marathon-Veranstaltung in Boston legten. Dabei kamen am 15. April drei Menschen ums Leben, mehr als 260 wurden verletzt.

Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um gebürtige Tschetschenen, die vor rund 10 Jahren auf legalem Weg in die USA kamen. Als Motiv nannte der schwer verletzte überlebende Bruder, dass man den Islam verteidigen wolle. Am Krankenbett verlas ihm eine Richterin die Anklageschrift.

Die Fahndung nach den Attentätern war beispiellos in der Geschichte der US-Polizeieinsätze. Über 9.000 Polizisten und Angehörige der Nationalgarde hatten vergangene Woche im Großraum Boston Jagd auf Dschochar Zarnajew gemacht. Um eine weitere Flucht aus der Stadt zu verhindern, verhängten die Behörden eine Ausgangssperre. Rund eine Million Menschen mussten somit in ihren Häusern bleiben. Diese Häuser wurden dann, insbesondere im Stadtteil Watertown, systematisch nach dem Flüchtenden durchsucht (Fotostrecke vom Polizeieinsatz und einigen polizeilichen Spezialeinheiten hier sowie unkommentiertes Video hier). Per Twitter teilte die Polizei später mit: „Die Jagd ist vorbei.“ Ein SWAT-Team nahm den Schwerverletzten fest (Interview mit SWAT-Polizisten, die die Verhaftung vornahmen).

Der Anschlag von Boston hat gezeigt, dass die Bedrohungslage für die USA selbst nach dem Abzug der US-Kampftruppen aus dem Irak und der angekündigten Truppenreduzierung in Afghanistan nicht weniger geworden ist. Es wird sogar die Ansicht vertreten, dass die in der Amtszeit von Obama massiv ausgebauten Drohnenangriffe ein „mächtiges Rekrutierungsinstrument für die globalen Ableger von Al Qaida“ geworden seien, so ein Kommentar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Die Risikoeinschätzung der US-Sicherheitsbehörden hat sich durch die Anschläge von Boston in zweierlei Hinsicht verändert. Zum einen scheint es so, als radikalisierten sich die beiden Brüder selbst, d.h. ohne eine zielgerichtete Indoktrination durch eine Person oder innerhalb einer Organisation. Diese Selbstradikalisierung wurde ersten Erkenntnissen nach durch das Internet erleichtert. Zum anderen geht von diesen sich unbemerkt radikalisierenden, autonomen und mit der US-Staatsbürgerschaft ausgestatteten potenziellen Terroristen eine große Gefahr für die innere Sicherheit der USA aus. Diese Einzeltäter – „einsamen Wölfe“ – treten meist vor ihrer Tat nicht in Erscheinung bzw. können nur sehr schwer als Bedrohung identifiziert werden. 

So umfangreich und ungewöhnlich die Fahndungsmaßnahmen der Polizei waren, so hart waren erste Forderungen, den US-Bürger, der seine Tat auf US-Boden begangen hat, als „feindlichen Kämpfer“ vor ein Militärgericht zu stellen (Interview zur Rechtslage mit einem US-Strafrechtler hier). 

Die Kritik an den Einsatzmaßnahmen und Einsatztaktiken der Polizeikräfte bei den Hausdurchsuchungen im abgesperrten Stadtgebiet wurde trotz der allgemeinen Erleichterung über den Erfolg lauter, da manche befürchten, solche Fahndungs- und Durchsuchungsaktionen könnten in der Zukunft eher die Regel als die Ausnahme sein. Während der Operationsdurchführungen durch SWAT-Teams wurden unbeteiligte Anwohner mit vorgehaltener Waffe zum Verlassen ihrer Häuser genötigt (Zeitungsbericht mit Bildern und Videos hier).

Die Polizei-Einheiten selbst gerieten wegen der ausführlichen Berichterstattung der Medien in Gefahr. Um die Polizisten, ihre aktuellen Standorte und vor allem ihre Einsatztaktiken nicht zu gefährden, bat die Bostoner Polizei die Medien per Twitter darum, nicht über die aktuellen Standorte in Echtzeit zu berichten. 

Nach Einschätzung einer Abgeordneten der Republikaner, Stella Tremblay, ist allerdings die US-Regierung selbst für den Anschlag von Boston verantwortlich. Ihrer Einschätzung nach handelte es sich um eine „black ops“. Bei sogenannten „black operations“ (black ops) handelt es sich um verdeckte Operationen von Geheimdiensten und/oder von militärischen Spezialkräften. Die Abgeordnete verlinkte auf ihrer Webseite ein Video, in dem der bekannte Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker Alex Jones behauptet, dass im Zielbereich des Boston-Marathons Angehörige der US-Navy SEALs die Bomben gelegt hätten (mehr zu den Vorwürfen hier).

 

Weiterführende Informationen:

 – Bilderstrecke: Zugriff auf 2. Attentäter

– Unkommentiertes Video der Wärmebildkamera des Polizeihubschraubers vom Verdächtigen kurz vor der Festnahme.

– Bericht mit Video über das SWAT-Team samt Interview über die Verhaftung

– Bilderstrecke: Suche von Tür zu Tür nach Attentäter Nr. 2