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Syrien nach der ‚roten Linie‘: Grünes Licht für Spezialkräfte in der Grauzone?

Nach Informationen der französischen Zeitung „Le Figaro“ aus Kreisen der bewaffneten Opposition gegen Syriens Regierung sollen Mitte August von Israel, Jordanien und den USA ausgebildete Kräfte unter Aufsicht jordanischer, israelischer und us-amerikanischer Kommandoeinheiten in Richtung Damaskus vorgerückt sein.

Die Ausbildung gemäßigter Kräfte der bewaffneten Opposition war eine der Möglichkeiten der USA, in den Konflikt militärisch einzugreifen (K-ISOM berichtete hier). In den letzten Monaten gab es immer wieder unbestätigte Berichte über nach Syrien infiltrierte Spezialeinheiten westlicher Streitkräfte (mehr dazu auch in der aktuellen Ausgabe der Kommando Nr. 5/2013).

Eine Zusammenarbeit jordanischer, israelischer und amerikanischer Spezialeinheiten erscheint plausibel. Die US-Streitkräfte haben sowohl mit Jordanien als auch mit Israel eine tiefgehende Militärkooperation. Im letzten Jahr soll der israelische Ministerpräsident Netanjahu während eines geheimen Treffens mit dem jordanischen König Abdullah II. um das Einverständnis Jordaniens gebeten haben, dass Israel die syrischen Chemiewaffen-Einrichtungen angreifen dürfe. Damals habe der jordanische König dies abgelehnt, weil die Zeit dafür noch nicht reif sei. Israel hat einem Bericht zufolge Jordanien um ‚grünes Licht‘ für einen solchen Einsatz gebeten, weil einige Anlagen an der syrisch-jordanischen Grenzen lägen und die Syrer Jordanien der Komplizenschaft mit Israel beschuldigen würden.

Die von US-Präsident Obama erwähnte „rote Linie“ ist nach eigenen Angaben durch den Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten überschritten worden. In völkerrechtlicher Hinsicht sind die meisten Optionen für ein direktes (ein direkter Angriff, wie ihn die USA erwägen) oder indirektes militärisches Eingreifen (durch Ausbildungsunterstützung und Waffenlieferungen) in Syrien problematisch. In einer engen Auslegung des in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Interventions- und Gewaltverbotes ist eine militärische Zwangsmaßnahme – die Androhung oder Anwendung von Gewalt – gegen Syrien ohne einen formellen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nation nicht rechtens. Diese Auffassung vertreten z.B. die Völkerrechtler Thilo Marauhn und Sven Simon von der Universität Gießen in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 28. Juni 2013. Nach Ansicht der Autoren greift auch die Schutzverantwortung einer internationalen Staatengemeinschaft gegenüber den syrischen Bürgern (Responsibility to protect, R2P) nicht, da es sich dabei nicht um anerkanntes Völkerrecht, sondern lediglich um eine Rechtsauffassung handele. Ihrer Auffassung nach sind auch Waffenlieferungen an die Aufständischen verboten, weil dadurch das „auf Deeskalation und Gewaltvermeidung angelegte UN-Friedenssicherungssystem zur Disposition“ stünde.

Der Konflikt in Syrien wird durch die gegenteilige Auffassung zu einer völkerrechtlichen und militärischen Grauzone. Denn eine andere Rechtsauffassung vertritt das Argument, dass das absolute Gewaltverbot zwischen Staaten in der Völkerrechtsordnung bereits neben den Schutz von systematisch verfolgten Menschen in Staaten getreten ist. So die Rechtsauffassung von Matthias Herdegen, dem Direktor des Instituts für Völkerrecht der Universität Bonn in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 6. September 2013.

Der Strafrechtler Kai Ambos widerspricht an gleicher Stelle dem Völkerrechtler Herdegen in einem eigenen Beitrag in der Zeitung, indem er argumentiert, dass weder eine humanitäre Intervention noch die Übernahme von Schutzverantwortung von der Staatenpraxis gedeckt seien. Im Falle Syriens plädiert er dafür, den syrischen Präsidenten Assad nach einer objektiven Befassung des Chemiewaffeneinsatzes in Syrien durch den Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen, sofern der Strafgerichtshof nach Prüfung des Falles einen Haftbefehl erlassen sollte. Ein solcher Haftbefehl, so der Autor, könnte die Grundlage für eine „wie auch immer geartete Kommandoaktion zur Festnahme Assads bilden.“

Völkerrechtlich wäre eine solche Militäroperation mit Spezialeinheiten zwar dann eindeutig legal, allerdings angesichts der militärstrategischen und taktischen Lage unrealistisch. Daher ist davon auszugehen, dass westliche Spezialeinheiten in Zusammenarbeit mit israelischen und jordanischen Kräften die bewaffnete Opposition ausbilden, ausrüsten, möglicherweise sogar auf syrisches Territorium begleiten und im Falle von Angriffsoperationen der US-Streitkräfte diese durch Aufklärung und Zielmarkierung unterstützen.

 

Weiterführende Informationen:

  • Weitere Einschätzungen zum Völkerrecht hier und hier