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Kriegsvorbereitungen im Nahen Osten: Angriffe auf Syrien wahrscheinlich in den nächsten 48 Stunden

Ein Angriff westlicher See- und Luftstreitkräfte auf Ziele in Syrien scheint in den nächsten Tagen bevorzustehen. Die Streitkräfte der USA, Großbritanniens und Frankreichs bereiten sich allem Anschein nach auf zeitlich begrenzte, luftgestützte Angriffsoperationen auf militärstrategische Ziele in Syrien vor. Eine endgültige Entscheidung hat US-Präsident Obama allerdings noch nicht getroffen. Nachdem sich am gestrigen Abend das britische Unterhaus mit knapper Mehrheit gegen eine britische Beteiligung an den Militäroperationen entschieden hat, deutet alles darauf hin, dass die US-Streitkräfte alleine angreifen werden.

Die westlichen Staaten verfolgen mit dieser Drohkulisse und dem wahrscheinlich Angriff das Ziel, das Regime von Präsident Assad für den vermeintlichen Einsatz von chemischen Kampfstoffen gegen die eigene Bevölkerung, bei der am 21. August in einem von den Rebellen kontrollierten Vorort von Damaskus mehr als 300 Zivilisten gestorben sein sollen, zu bestrafen und von weiteren Einsätzen der C-Waffen in diesem Bürgerkrieg abzuschrecken. Ein weiteres Ziel von kriegerischen Handlungen gegen Syrien besteht darin, das in den letzten Monaten wieder stärker gewordenen Regime an den Verhandlungstisch zu bringen, um so ein Ende der Kämpfe in Syrien zu erreichen (lesenswertes Expertengespräch über Lage hier).

Dass westliche Regierungschefs und Militärs von einer begrenzten Operation sprechen deutet darauf hin, dass der syrische Staatsapparat und seine Streitkräfte nach einem Angriff noch handlungsfähig sein sollen. Ein Regimewechsel ist somit nicht das Ziel der westlichen Intervention, da ein Staatszerfall Instabilität, Chaos und ein Vorrücken unberechenbarer Dschihadisten bedeuten könnte.

Die Regierungen der USA und Großbritanniens sind davon überzeugt, dass vom Regime in Damaskus kontrollierte Einheiten für den Einsatz von chemischen Kampfstoffen verantwortlich sind (K-ISOM berichtete hier und hier über die Lage in Syrien). Die syrische Regierung wirft hingegen den Rebellen vor, das Gas eingesetzt zu haben, um ein Eingreifen des Westens zu provozieren. Da die offizielle Untersuchung der Experten der Vereinten Nationen noch nicht abgeschlossen ist, verfügen die westlichen Regierungen neben den Berichten von Human Rights Watch höchstwahrscheinlich über eigene Quellen und Indizien. Eine Quelle könnte der israelische Militärnachrichtendienst sein. Einem Bericht des israelischen Fernsehens nach hat die 155. Brigade der 4. Panzerdivision der syrischen Streitkräfte die Giftgasgranaten von einer Stellung im Westen von Damaskus abgefeuert. Kommandiert wird die Division von einem Bruder des Präsidenten, Maher Assad. Ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter Israels sagte einem Medienbericht zufolge, dass die auf Funkspionage spezialisierte „Unit 8200“ des israelischen Militärnachrichtendienstes ein Gespräch hochrangiger syrischer Militärs aufgezeichnet habe, in dem sie sich über den Einsatz von Kampfstoffen unterhalten haben sollen. Einem anderen Bericht nach haben die USA ein solches Gespräch abgehört.

Ein möglicher Zeitraum für den Beginn der vermutlich nur ein bis drei Tage dauernden Militäroperationen gegen Syrien wäre Samstag. Dann hätten die UN-Inspekteure voraussichtlich das Land verlassen und der Termin läge vor der Auslandsreise von US-Präsident Obama nach Europa und zum G-20-Gipfel in St. Petersburg Anfang September. Das israelische Internetportal „DEBKAfile“, welches über Kontakte zu gut unterrichteten Militärkreisen in Israel verfügt, schätzt aufgrund von Gesprächen mit nicht genannten Personen, dass der Angriff sogar bereits Freitagnacht bzw. am Samstagmorgen beginnt.

Weitere militärische Aktivitäten in der Region deuten zudem auf einen Angriff hin:

  • Die US-Marine hat die geplante Heimfahrt des Flugzeugträgers USS Nimitz verschoben, somit befinden sich nun zwei US-Träger im Persischen Golf (s. Infografik am Ende dieses Berichts und diese Karte),
  • Großbritannien entsendet Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter/Typhon nach Zypern,
  • Israel hat nach einer außerordentlichen Sitzung seines Sicherheitskabinetts eine Teilmobilmachung seiner Streitkräfte verkündet; dabei handelt es sich um Truppenteile der Luftwaffe und der Raketenabwehr (Arrow, Patriot, Iron Dome),
  • auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Katar sollen B-1B-Langstreckenbomber und F-22 Kampfflugzeuge eingetroffen sein,
  • Frankreich entsendet eine moderne Fregatte in das östliche Mittelmeer,
  • Russland hat angekündigt, seinen Flottenverband im Mittelmeer zu verstärken,
  • Russland hat über 100 seiner Staatsangehörigen aus Syrien evakuiert,
  • die Streitkräfte der Türkei, des Iraks und Saudi-Arabiens wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt,
  • in Syrien werden Einrichtungen der Streitkräfte evakuiert.

Die deutsche Regierung verurteilte den Giftgas-Einsatz in Syrien und unterstützt auch eine Reaktion auf dieses Vorgehen, ohne sich konkret zu äußern. Eine direkte Beteiligung der Bundeswehr an Kampfeinsätzen wird zwar ausgeschlossen, aber indirekt könnten sich Einheiten der Bundeswehr an den Operationen beteiligen.

Aufgrund der Einschätzungen der politischen Entscheidungsträger ist davon auszugehen, dass die Angriffsoperationen fast ausschließlich von luft- bzw. seegestützten Cruise Missiles und mit Langstreckenbombern geführt werden. Einsätze mit taktischen Kampfbombern, wie sie häufig in der Vergangenheit bei mehrtägigen Luftangriffen stattgefunden haben, sind in diesem Fall nicht zu erwarten. Experten bezweifeln allerdings, dass mit chirurgischen Luftschlägen alleine letztlich die strategischen Ziele eines solchen Kampfeinsatzes erreicht werden.

Die einzigen Bodentruppen in Syrien selbst werden im Falle eines Angriffs mit hoher Wahrscheinlichkeit Spezialkräfte sein. Einem Zeitungsbericht zufolge befinden sich bereits Einheiten des britischen Special Air Service (SAS) in Syrien, um dort Luftabwehr-Stellungen auszukundschaften bzw. Vorbereitungen für die Zielmarkierung vorzunehmen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit operierten verschiedene westliche Spezialkräfte zum Zwecke der Beratung bzw. Ausbildung der Rebellen und der eigenen Aufklärung verdeckt auf syrischem Territorium (K-ISOM meldete dies hier, hier, hier und hier). Spezialeinheiten zur Unterstützung der regierungsfeindlichen Rebellen würden nach Einschätzung eines ehemaligen Angehörigen von Spezialeinsatzkräften die Effektivität des Militäreinsatzes in Syrien erhöhen. Ein nur auf Bombenangriffen beruhender Einsatz, so seine Einschätzung weiter, würde das Blutvergießen in Syrien nicht beenden.

 

Weiterführende Informationen: