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Massaker und Massengeiselnahme in Kenia: 80-Stunden-Blutbad beendet

Nach dem Ende der vier Tage andauernden Geisellage in einem Einkaufszentrum der kenianischen Hauptstadt Nairobi, bei der nach offiziellen Angaben bisher mehr als 70 Menschen getötet wurden, sagte Kenias Präsident Uhuru Kenyatta, dass man die Angreifer von der islamischen Shabaab-Miliz aus Somalia „besiegt und gedemütigt“ habe. Unter den Trümmern des teilweise eingestürzten Zentrums vermutet man noch weitere Opfer. Unter den bisher identifizierten Toten befänden sich 61 Zivilisten, sechs Sicherheitskräfte und fünf Geiselnehmer, so der Präsident weiter. Allerdings sprach eine anonyme Quelle davon, dass ein Geiselnehmer noch immer Gegenwehr leisten würde.

Am Samstag hatten die vermutlich aus dem westlichen Ausland rekrutierten Kämpfer mit somalischen Wurzeln die von langer Hand geplante Terroraktion damit begonnen, in das Einkaufszentrum einzudringen und die Besucher zu töten. Anschließend verschanzten sich die schwerbewaffneten Attentäter mit einer noch unbekannten Anzahl von Geiseln in dem Gebäude und lehnten jede Verhandlung über die Freilassung ihrer Geiseln ab. Nach Angaben der Miliz kamen fast 140 Menschen bei dieser Aktion um, die als Vergeltung für den Angriff kenianischer Truppen gegen die Al-Shabaab-Miliz in Somalia gedacht war.

Spekulationen, dass sich unter den getöteten Angreifern auch die Britin Samantha Lewthwaite befände, wurden bisher nicht bestätigt. Sie ist die Witwe eines britischen Dschihadisten, der für die Anschläge in London 2005 verantwortlich war. K-ISOM berichtete darüber, dass sie in Ostafrika vermutet wurde und SAS-Angehörige versuchten, sie aufzuspüren.

Ein ehemaliger Angehöriger der britischen Royal Marines, der sich privat in dem Einkaufszentrum aufhielt, half zu Beginn des Angriffs viele Zivilisten in Sicherheit zu bringen (Zeitungsbericht mit Foto hier). In einem ersten Bericht hieß es allerdings noch, dass dieser Ex-Soldat, der mehrfach in das Gebäude reinging, um Menschen herauszuführen, früher beim britischen Special Air Service (SAS) gedient hätte, was später korrigiert wurde.

Bei dem Vorgehen der kenianischen Sicherheitskräfte gegen die Geiselnehmer unterstützten übereinstimmenden Medienberichten zufolge US-amerikanische und israelische Spezialisten ihre Kollegen aus Kenia. Wie die Tageszeitung „Die Welt“ berichtet, waren die Israelis nur in beratender Funktion tätig. In ersten Berichten hieß es noch, dass israelische Einheiten im Gebäude operieren würden. Später betonte man, dass sie lediglich im Hinblick auf eine Verhandlungsstrategie beratend tätig seien. Ein Grund für diese kenianisch-israelische Kooperation ist vermutlich, dass das Einkaufszentrum einem israelischen Unternehmen gehört. Ein weiterer ist die Tatsache, dass Israel und Kenia bei der Antiterror-Bekämpfung eng zusammenarbeiten. Israel half Kenia zum Beispiel nach dem Attentat von Al-Kaida auf die US-Botschaft in Nairobi 1998 und nachdem Al-Kaida ein bei israelischen Touristen beliebtes Hotel angriff, bei dem 15 Israelis starben.

Das Bundeskriminalamt entsendet sechs Spezialisten zur Unterstützung der kenianischen Behörden nach Nairobi, um bei der Identifizierung der Opfer und der Rekonstruktion der Ereignisse zu helfen.

Nach Einschätzung von Frédéric Gallois, einem ehemaligen Mitglieder und Kommandanten der französischen GIGN (Groupe d’intervention de la gendarmerie nationale), haben die Terroristen das hoch frequentierte und beliebte Einkaufszentrum bewusst ausgewählt, um eine mit den Terrorangriffen von Mumbai vergleichbare Inszenierung durchzuführen. Seiner Meinung nach versuchten sie am Anfang so viele Menschen wie möglich zu töten, bevor die Aktion durch die Absperrung des Ortes durch die Polizei zu einer ‚statischen Konfrontation‘ wurde. Je länger diese dauert, desto eher ist dies als ‚Sieg der Terroristen‘ anzusehen, so Gallois abschließend (Interview hier in französischer Sprache).

Auch deutsche Sicherheitsbehörden haben in den letzten Jahren einen Strategiewechsel bei den extremistisch-fundamentalistischen Dschihadisten entdeckt, der Angriffe im ‚Mumbai-style‘ vorsieht. Der Begriff spielt auf die Anschläge von 2008 im indischen Mumbai an, die zu einem Maximum an Opfern und einem Maximum an Öffentlichkeitswirksamkeit führen sollten. Damals griffen 10 islamistische Attentäter die indische Metropole an; manche kämpften drei Tage gegen die Sicherheitskräfte. Die Terroristen hatten die Angriffe generalstabsmäßig geplant, waren entschlossen, bis zum Tod zu kämpfen und sie griffen nur ‚weiche Ziele‘ – ungeschützte, zivile Objekte, wo sich in der Regel viele nicht zu schützende Menschen aufhalten – an.

 

Weiterführende Informationen und Links:

·         Bericht mit ausführlicher Bilderstrecke von Szenen rund um das Einkaufszentrum hier

·         Zeitungsbericht mit Video aus dem Einkaufszentrum, auf denen Schüssen zu hören sind

·         Bericht mit Bilderstrecke aus dem Einkaufszentrum