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Neuer Krim-Krieg? Machtdemonstration, Manöver und Mobilmachung

Die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist in den letzten  Tagen faktisch von russlandtreuen paramilitärischen und nun auch vermutlich von regulären Streitkräften Russlands besetzt worden. Auf der Halbinsel umstellten russische Kräfte ohne Hoheitsabzeichen ukrainische Militäreinrichtungen (Videobericht hier und hier; Bilderstrecke hier). Russland bezweckt mit dieser Intervention den Schutz der russischstämmigen Mehrheit auf der Halbinsel. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat Präsident Putin zudem ein Manöver der russischen Streitkräfte persönlich inspiziert.

Laut „Spiegel Online“ sind Spezialeinheiten der Streitkräfte Russlands wesentlicher Bestandteil der Besetzung von strategischen Schlüsselstellungen. Um welche Einheiten es sich handelt und in welcher Truppenstärke sie vor Ort sind, ist aufgrund der unübersichtlichen Informationslage unklar (K-ISOM berichtete hier und hier über die russischen Spezialkräfte).

Der Russlandkenner des Royal United Services Institut in Großbritannien, Igor Soutiaguine, meint, dass es sich bei den Einheiten, die wichtige Einrichtungen auf der Halbinsel blockieren, um russische Speznas-Einheiten handelt.

In einer Fernsehansprache teilte Putin mit, dass die bewaffneten Kräfte vor den Militärstützpunkten in der Ukraine „lokale Selbstverteidigungskräfte“ seien – die Uniformen könne man sich überall kaufen.

Die in der letzten Woche offiziell aufgelöste Spezialeinheit der ukrainischen Polizei, Berkut, hat sich nach Angaben der pro-russischen Krim-Regierung dieser autonomen Regierung unterstellt (K-ISOM meldete die Auflösung hier).

Die Schätzungen über den Umfang der russischen Streitkräfte, die Russland vermutlich auf die Halbinsel Krim entsandte, in verschiedenen Medienberichten reichen von 2.000 bis 6.000 Soldaten.

Die Sichtungen von Einheiten und Großgerät (Schaubild hier) lässt darauf schließen, dass in erster Linie russische Marineinfanterie und Luftlandetruppen an dem blitzartigen Einmarsch auf die Halbinsel Krim beteiligt waren. Darauf deuten zumindest die unbestätigten Sichtungen von Luftkissen-Fahrzeugen der „Zubr“-Klasse (Video hier; Flottenstärke im Überblick hier) und von Transportflugzeugen des Typs IL-76 hin (älterer Videobericht über eine Luftlandung russischer Fallschirmjäger und Spezialkräfte bei einer Übung hier mit der IL-76). Fallschirmjäger waren es auch 1999, die handstreichartig und ohne die NATO-Partner zu informieren Fakten schufen: sie sicherten einen wichtigen Flughafen im Kosovo, bevor die NATO-Truppen reagieren konnten.

Die russische Marineinfanterie gehört zu den schnell verfügbaren Kräften Russlands. Sie verfügen über vier Brigaden sowie selbständige Regimenter und Bataillone. Zu den Spezialeinsatzbrigaden der Marineinfanterie gehören neben einem Unterstützungselement ein Luftlandebataillon sowie 3 Kampftaucherbataillone.

Die insgesamt 9.500 Mann starke Marineinfanterie soll nach Angaben von „RIA Novosti“ bis 2015 mit den Schützenpanzern BMP-3, dem T-90 Kampfpanzer und dem gepanzerten Aufklärungsradpanzer BRDM-3 ausgestattet werden (Bilderstrecken hier, hier und hier).

Die insgesamt 16 Bataillone der Luftlandetruppen und die 17 Bataillone der Marineinfanterie sollen nach Aussagen des russischen Generalstabschefs, Waleri Gerassimow, bis Ende des Jahres ausschließlich aus Vertragssoldaten bestehen, berichtet „RIA Novosti“.

Bereits vor einem Jahr sprach Gerassimow davon, dass die Konflikte und die damit einhergehende Instabilität an den russischen Grenzen eine Bedrohung bedeuteten, aber dass auch „ein groß angelegter Krieg nicht ausgeschlossen werden“ kann.

 Die Ukraine hat seine Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt und mobilisiert seine Reservisten. Die USA haben als eine erste Reaktion alle militärischen Kooperationsprojekte mit den Streitkräften Russlands gestoppt (K-ISOM berichtete hier über eine Form der Zusammenarbeit).

Nach Einschätzung des ehemaligen NATO-Oberbefehlshabers, Admiral Stavridis, wäre eine mögliche Option des Westens, die schnelle Eingreifkräfte der Allianz – NRF, NATO-Response Force – in Alarmbereitschaft zu versetzen. Die NRF ist die schnelle, multinationale Eingreiftruppe der NATO, die 2002 gegründet wurde. Ihr Einsatzspektrum reicht von Einsätzen im Rahmen eines NATO-Bündnisfalles über Krisenreaktionseinsätze bis hin zu schnellen Anfangsoperationen bei größeren Kampfeinsätzen (s. Video).

Die NRF soll in der Lage sein, bis zu 30 Tage ohne Verstärkungen ihren Auftrag als Eingreiftruppe auszuführen. Die NRF ist keine ständige Einheit. Es handelt sich vielmehr um ein multinationales „Streitkräftepaket“ aus Boden-, Luft-, Seestreitkräften sowie Spezialeinheiten (Videodokumentation hier).

Die NATO-Botschafter haben am Montag beschlossen, Awacs-Aufklörungsflugzeuge in den Luftraum der NATO-Mitglieder Polen und Rumänien entsenden. Beide NATO-Partner grenzen an die Ukraine.

Schon einmal kämpften Großmächte auf der Halbinsel Krim. Der Krim-Krieg von 1853-1856 gilt als einer der ersten modernen Kriege der neueren Kriegsgeschichte, da neue Techniken und neue Taktiken eingesetzt wurden. Frankreich und Großbritannien kämpften zur Unterstützung des Osmanischen Reiches gegen das russische Zarenreich auf der Krim. Das Ziel bestand darin, einen russischen Machtzuwachs auf Kosten des Osmanischen Reiches – insbesondere durch eine mögliche Eroberung der strategisch wichtigen Meerengen im russisch-osmanischen Krieg  – zu verhindern.