Die militärischen Operationen für die Eroberung der IS-Hochburgen in Syrien und im Irak laufen. Im Kampf gegen die Terrormilizen des selbsternannten Islamischen Staates findet sich dabei eine ungewöhnliche Zweckkoalition zusammen. So befanden sich unter den Verlusten in den letzten Wochen auch ein Angehöriger der US-Marineinfanterie und ein russischer Speznas-Soldat.
Gleichzeitig sind verschiedene IS-Netzwerke in Westeuropa durch Razzien von Spezialeinsatzkommandos verschiedener Polizeibehörden unter Druck gesetzt und teilweise aufgedeckt worden. Über den militärischen und polizeilichen Kampf gegen den islamistischen Terror berichtete K-ISOM u.a. hier, hier, hier, hier und hier.
Große und geheime Koalition im Kampf gegen IS
Zurzeit operieren Streitkräfte samt ihrer Spezialeinheiten und Spezialkräfte aus unterschiedlichen Nationen offensiv gegen die Milizen des Islamischen Staates in Syrien und im Irak. Neben diesen Hauptkriegsschauplätzen gibt es weitere Kampfzonen, wie z.B. Somalia und in einem zunehmenden Maße auch Libyen, wie K-ISOM zuletzt berichtete.
Im Norden Iraks ziehen irakische Kräfte der Zentralregierung und der kurdischen Peschmerga den Ring um die IS-Hochburg Mossul immer enger. Unterstützt werden sie dabei von US-Streitkräften, aus der Luft und vom Boden aus. Das US-Verteidigungsministerium erwägt, die Anzahl des US-Personals von derzeit 3.870 auf 5.000 Soldaten zu erhöhen. Um die langsame Einkreisung von Mossul zu unterstützen, jagen Spezialkräfte der USA das politische und militärische Führungspersonal des IS.
Wie das Pentagon am Montag bestätigte, wurde ein Hochwertziel des IS bei einem Drohnenangriff getötet. Bei Jasim Khadijah, einem IS-Kommandeur und ehemaligen Offizier der irakischen Streitkräfte, soll es sich nach Pentagon-Angaben um einen der Hauptverantwortlichen für den Tod eines US-Marines gehandelt haben. Marine Corps Staff Sgt. Louis F. Cardin von der 26th Marine Expeditionary Unit wurde im März bei einem Raketenangriff des IS auf seine frontnahe Basis bei Mahkmour, zwischen Tikrit und Mossul, getötet.
Von Osten gerät der IS durch die von Russland unterstützten Truppen der regulären syrischen Streitkräfte unter Druck. Nach der Rückeroberung Palmyras ist das nächste Ziel der Angriff auf die de facto Hauptstadt des IS, das syrische Rakka.
Um militärische Zwischenfälle zwischen den Anti-IS-Koalitionskräfte zu vermeiden stimmen sich die Streitkräfte untereinander ab. Wie weit diese Kooperation geht, ist unklar. Klar dürfte jedoch sein, dass sie auf der Arbeitsebene ihre Militäroperationen untereinander offiziell kommunizieren und wahrscheinlich auch effektiv koordinieren. Israel und Russland haben sich dazu auf höchster Ebene bereits mehrfach (s. hier und hier) getroffen, um militärische Konfrontationen der beiden Luftwaffen im Luftraum Syriens zu vermeiden.
Wie bizarr die informelle Interessenkoalition gegen den IS ist, zeigt sich ebenso daran, dass der Iran angekündigt hat, Spezialeinsatzkräfte seines Heeres – zusätzlich zu den bereits dort operierende Einheiten der iranischen Revolutionsgarden – als Unterstützer und Berater nach Irak und Syrien zu entsenden. Russland, Iran und die libanesische Hisbollah unterstützen das syrische Assad-Regime, während die anderen Nationen in erster Linie den IS bekämpfen.
Der Tod des „russischen Rambos“
Ein Angehöriger russischer Spezialeinsatzkräfte ist am 17. März bei Palmyra gefallen, als er vermutlich als Fliegerleitsoldat Bodenziele für Luftangriffe markierte. Andere Berichte sprechen von einer reinen Aufklärungsmission. Nachdem zunächst die Angehörigen von Alexander Prochorenko um Diskretion seinen Tod gebeten wurden, teilte das russische Verteidigungsministerium später mit, dass der Offizier der Speznas den Angriff der Luftwaffe auf seine eigene Stellung angeordnet habe, nachdem er von IS-Kämpfern entdeckt und umzingelt worden war. Dies berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. April. Britische Zeitung titulierten Prochorenko als „russischen Rambo“. Offiziellen Angaben zufolge ist er der sechste Soldat, der bei dem Syrien-Einsatz Russlands gefallen ist.
Razzien in Belgien und Niederlanden
Nach den Attentaten von Brüssel am 22. März kam es in Belgien und benachbarten Staaten zu Einsätzen von Spezialeinsatzkommandos verschiedener Polizeibehörden. Neben dem Ziel, Verdächtige der Terroranschläge zu finden, bezweckten die Razzien auch, Druck auf das Unterstützer- und Sympathisanten-Netzwerk auszuüben.
Einen Überblick über Anti-Terror-Operationen gegen Islamisten gibt dieses Nachrichtenvideo:
Einsatzkräfte der CGSU der belgischen Bundespolizei nahmen bereits am 18. März den vermutlichen Mitorganisator der Anschläge in Paris, Salah Abdeslam, fest (s. folgendes Video und hier; Bilderstrecken des Einsatzes hier und hier). Bilder von weiteren Einsätzen der Spezialeinsatzkommandos zeigen auch diese Videos hier; Hintergründe zur Einheit hier.
Spezialeinsatzkräfte haben in Brüssel bei einem weiteren Anti-Terror-Einsatz einen Mann angeschossen. An einer Haltestelle soll der Mann zuvor eine Frau als Schutzschild benutzt haben. Da die Beamten in seinem Rucksack einen Sprengsatz vermuteten, ließen sie in erst verwundet auf dem Bahnsteig liegen. Ihm näherte sich nur ein Roboter, wie die folgenden Videos zeigen:
Im Rahmen europaweiter Fahndungsmaßnahmen griffen Ende März Anti-Terror-Kräfte der niederländischen Polizei bei zwei Durchsuchungen Rotterdam einen Verdächtigen, der an der Planung eines Terrorangriffs gewirkt haben soll.
Deutlicher erkennt man die Spezialeinsatzkräfte der niederländischen Polizei im folgenden Video bei einem Einsatz Anfang des Jahres in Rotterdam.
Die Polizei der Niederlande verfügt über verschiedene Zugriffs- und Unterstützungseinheiten, sogenannte „Arrestatieteam (AT)“. Sie sind in etwa vergleichbar mit deutschen SEKs oder auch MEKs. Das folgende Video zeigt eine Publikumsvorführung vor wenigen Jahren.
Um schneller auf nationale Terrorlagen reagieren zu können, wurde im Jahr 2006 als operative Koordinierungs- und Führungsstelle das DSI (Dienst Speciale Interventies) ins Leben gerufen, dass lageabhängig verschiedene Spezialeinheiten der Niederlande bei Inlandsoperationen führt. Das folgende offizielle Video zeigt das Aufgabenspektrum der DSI-Einheiten – von normalen Zugriffen bis hin zu Operationen in einem biologisch, chemisch oder nuklear verseuchten Umfeld.
Counter Terrorism Group: Inlandsgeheimdienste wollen Kooperation ausbauen
Die Vielzahl an Durchsuchungen in verschiedenen Ländern Westeuropas in den vergangenen Wochen hat deutlich gemacht, dass es die Sicherheitsbehörden mit einer großen Zahl an potenziellen Attentätern, Unterstützern, Führungsleuten und Sympathisanten aus dem radikalislamischen Umfeld zu tun haben.
Daher beabsichtigen die Nachrichtendienste der EU-Staaten sowie Norwegens und der Schweiz, die sich in der Counter Terrorism Group (CTG) zusammengeschlossen haben, ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Die CTG hat sich nach den Al Qaida-Anschlägen auf die USA 2001 gegründet. Daneben existiert für die EU noch der Koordinator für die Terrorismusbekämpfung und die Arbeitsgruppe über Terrorismus.
Schwerpunkt der aktuellen nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit ist der Informationsaustausch über die radikalislamischen Kämpfer, die aus Europa in das IS-Herrschaftsgebiet reisten, um entweder für den IS vor Ort zu kämpfen oder später Anschläge in ihren Heimatländern zu verüben.
Wie die „Welt online“ mit Bezug auf nicht näher genannte Sicherheitskreise berichtete, soll der IS die Ausbildung für Attentate in Europa intensiviert haben. Ziel der mehreren Hundert umfassenden potenziellen Kämpfer, verteilt auf relativ unabhängige Netzwerke und Zellen, sei es, bei Terrorattacken lang andauernde Einsatzlagen zu schaffen.
Angesichts des Sicherheitsproblems der in Europa aufgewachsenen Kämpfer, die wieder nach Europa zurückkehren, provozierte der französische Autor und Journalist Eric Zemmour im Hinblick auf die Luftangriffe Frankreichs auf den IS nach den Anschlägen in Paris im November mit der Aussage, dass „Frankreich nicht Rakka bombardieren sollte, sondern Molenbeek, wo das Terrorkommando herkam“.
Ergänzende Links:
- ZDF-Bericht über die ungehinderte Durchreise der Paris- und Brüssel-Attentäter durch EU-Europa hier
- Radio-Interview mit BfV-Präsident Maaßen von Februar hier, TV-Interview über Kooperationsprobleme hier
- ZDF-„heute journal“ berichtet über Truppenbesuch Frau von der Leyens in Mali hier
- Radiointerview mit Rolf Tophoven hier
- Kommentar in der schweizerischen NZZ über die lange unterschätzte Gefahr durch den IS
[ej]