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Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und USA ohne Vertrauensbasis? Karzai greift US-Spezialkräfte scharf an

Das zwischen den Regierungen der USA und Afghanistans ausgehandelte Abkommen über die weitere Stationierung von US-Truppen in Afghanistan nach dem Ende des ISAF-Mandats und dem Abzug des Hauptteils der Kampftruppen ist von der Ratsversammlung in Afghanistan gebilligt worden. Die große, rund 2.500 Personen umfassende Ratsversammlung der afghanischen Stammesfürsten und Ältesten (Loya Dschirga) hat das Truppenstatut am Sonntag nach mehrtägigen Beratungen gebilligt.

Das Abkommen regelt alle Aspekte der Stationierung von US-Soldaten in Afghanistan ab 2015. Es hat somit Signalwirkung für andere potenzielle Truppensteller, die Einheiten nur dann weiterhin in Afghanistan stationieren wollen, wenn auch US-Truppen im Land verbleiben. Die Bundesregierung hat Afghanistan ein Kontingent von 600 bis 800 Bundeswehr-Soldaten in Aussicht gestellt, die die afghanischen Sicherheitskräfte beraten und unterstützen sollen (siehe diese K-ISOM-Meldung; Video des australischen Verteidigungsministeriums über australische Spezialeinsatzkräfte, die afghanische Kräfte ausbilden hier). Ein zentraler Streitpunkt bei den Verhandlungen und wesentlicher Punkt des Abkommens ist, dass US-Soldaten nicht dem afghanischen Recht, und damit im schlimmsten Fall der Scharia, unterliegen und somit Immunität vor afghanischer Strafverfolgung genießen.

Ein Angehöriger der Koalitionsstreitkräfte sichert vom Fahrzeug aus bei einer Patrouille mit den afghanischen Spezialeinsatzkräften, die am 14. April 2013 einen afghanischen Gouverneur in der Provinz Helmand eskortieren. Bild: DoD photo by Sgt. Pete Thibodeau, U.S. Marine Corps/Released. Bildlizenz

Ein Angehöriger der Koalitionsstreitkräfte sichert vom Fahrzeug aus bei einer Patrouille mit den afghanischen Spezialeinsatzkräften, die am 14. April 2013 einen afghanischen Gouverneur in der Provinz Helmand eskortieren. Bild: DoD photo by Sgt. Pete Thibodeau, U.S. Marine Corps/Released. Bildlizenz

Als sich die US-Regierung 2011 mit der irakischen Regierung nicht über die Verlängerung der US-Truppenpräsenz, insbesondere über die rechtliche Immunität der US-Soldaten, im Irak einigen konnte, zogen die USA ihre Streitkräfte vollständig aus dem Land zurück.

Ein weiterer Streitpunkt bei den Verhandlungen zwischen den Regierungen waren die nächtlichen Hausdurchsuchungen in Afghanistan, die „Night Raids“. Sie sind nun unter „außergewöhnlichen Umständen“ für die US-Truppen erlaubt, wenn US-Truppen bzw. US-Bürger akuten Risiken ausgesetzt sein könnten (mehr dazu hier und hier). Diese recht vage formulierten Passagen im bilateralen Sicherheitsabkommen dienen in erster Linie dazu, Anti-Terror-Operationen der US-Kräfte, in erster Linie vermutlich Spezialeinsatzkräfte, auch weiterhin bis zum Auslaufen des Vertrages im Jahre 2024 zu ermöglichen. Ersten Schätzungen zufolge werden zwischen 10.000 und 16.000 US-Soldaten im Land bleiben.

In den vergangenen Monaten haben die afghanischen Sicherheitskräfte zunehmend die Hauptlast der Operationen gegen regierungsfeindliche Kräfte getragen. Laut Schätzung der Vereinten Nationen sollen alleine im Jahr 2013 12.000 Taliban getötet, verletzt oder gefangen genommen worden sein, so ein Bericht der „Welt“. Die Hauptlast des Kampfes tragen sowohl auf afghanischer Seite als auch auf der Seite der ausländischen Truppen die Spezialeinsatzkräfte (siehe K-ISOM-Meldung hier, hier und hier).

Einen herben Rückschlag erlitten die Bemühungen, die afghanischen Spezialkräfte zu stärken, als Ende Oktober ein afghanischer Kommandeur einer Spezialeinheit, Monsif Khan, samt einem „Humvee“ und der Ausrüstung, den Waffen und der Munition für seine 20-Mann starke Einheit zu einer Gruppen Aufständischer überlief, die mit den Taliban kooperieren (mehr dazu hier und hier).

Präsident Karzai betonte vor dem Hintergrund der Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sein Misstrauen gegenüber den USA. „Ich vertraue ihnen nicht, sie vertrauen mir nicht“, sagte Karzai nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Karzai hat in jüngster Vergangenheit US-Spezialeinsatzkräften vorgeworfen, afghanischen Zivilisten getötet oder gefoltert zu haben (mehr dazu hier und in dieser K-ISOM-Meldung).

Der afghanische Stammesführer Karzai wurde im Jahre 2001, noch bevor das Regime der Taliban durch die Invasion von US-Streitkräften besiegt wurde, mit Hilfe von Spezialeinsatzkräften der USA nach Afghanistan gebracht. Aufgabe des 11-köpfigen A-Teams der 5th US Special Forces-Group mit der Bezeichnung ODA 574 (Operational Detachment Alpha) war es, nach Afghanistan zu infiltrieren und eine Revolte von Stämmen gegen die Taliban zu organisieren. Der Paschtune Karzai, der vor den Taliban ins Exil geflohen war, sollte sie dabei unterstützen (Bericht mit Bild von Karzai, umgeben von den Spezialeinsatzkräften der „Green Berets“ hier; Erlebnisberichte einiger Akteure hier und hier). Erst kürzlich bewerte Präsident Karzai den NATO-Einsatz in Afghanistan als überwiegend negativ.

 

 

Weiterführende Informationen:

  • Zeitungsbericht mit Bildern über Spezialeinsatzkräfte aus Litauen in Afghanistan hier
  • Der deutsche General Vollmer im Video über die Fortschritte in Afghanistan hier (K-ISOM meldete seine Kommandoübernahme hier)
  • Videobericht über die Veränderungen in Afghanistan aus Sicht eines US-Marines hier
  • Video über die Schießausbildung auf der Schießbahn hier