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„Das wird ein langer Kampf“: Militärische Anti-IS-Operationen mit Spezialkräften

Die Milizen des Islamischen Staates in Syrien und Irak sowie ihr Ableger in Libyen geraten weiter unter Druck der Anti-IS-Koalition. Sowohl die laufenden Luft- wie auch die Landoperationen dienen dazu, die Städte Rakka in Syrien – die offizielle Hauptstadt des selbsternannten „Islamischen Staates“ – und Mossul – die bevölkerungsreichste Stadt im Norden des Irak – einzunehmen (Karte hier). Wahrscheinlich beginnen die Operationen zur Eroberung der Städte erst im Herbst oder Winter dieses Jahres. Auf Seite der westlichen Streitkräfte operieren Spezialeinsatzkräfte an vorderster Front zusammen mit nationalen bzw. lokalen Kräften.

Türkische Panzer und Spezialeinheiten in Syrien

Streitkräfte der Türkei sind am Montag mit gepanzerten Kräften auf grenznahes Territorium Syriens vorgerückt. Zusammen mit Einheiten der von der Türkei unterstützten „Freien Syrischen Armee“ sollen die Kampfpanzer das Operationsziel erreicht haben: das Zentrum der Stadt Dscharabulus, um dort die IS-Kräfte zu vertreiben.

Ein irakischer Soldat feuert am 17. Juli 2016 im Lager Taji ein M14-Scharfschützengewehr ab während ein australischer Soldat als „Spotter“ assistiert. Die Fähigkeit zur präzisen Schussabgabe erhöht die taktischen Fähigkeiten der irakischen Soldaten. Die Ausbildung ist Teil der Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve. Bild: U.S. Army Sgt. Joshua E. Powell

Ein irakischer Soldat feuert am 17. Juli 2016 im Lager Taji ein M14-Scharfschützengewehr ab während ein australischer Soldat als „Spotter“ assistiert. Die Fähigkeit zur präzisen Schussabgabe erhöht die taktischen Fähigkeiten der irakischen Soldaten. Die Ausbildung ist Teil der Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve. Bild: U.S. Army Sgt. Joshua E. Powell

Unterstützt wurde der Angriff von der türkischen und der US-amerikanischen Luftwaffe. Der Vorstoß soll nach Angaben der britischen Zeitung „The Independent“ durch türkische Spezialeinheiten vorbereitet worden sein. Nicht näher genannte Spezialeinsatzkräfte sollen zudem noch während der Luftschläge auf syrisches Territorium vorgerückt sein.

Bei der auf syrisches Gebiet eingesickerten Spezialeinheit soll es sich um die Einheit „Bordo Bereliler“ handelt. Sie untersteht direkt dem Generalstab und dient nach derzeitigem Erkenntnisstand als zentrale Anti-Terror-Einheit der Streitkräfte für Operationen im In- und Ausland.

Die Türkei verfügt über weitere Spezialeinheiten, darunter zwei der Marine: die SAS-Einheit (Su Alti Savunma, auch: Sualtı Savunma) ist für eher defensive Aufgaben, insbesondere dem Umgang mit Sprengmitteln aller Art, zuständig. Die SAT (Su Alti Taaruz; auch: Sualtı Taarruz) eher für offensive Operationen wie Aufklärung, Direct Action und Anti-Terror-Einsätze. Die Arbeitsteilung entspricht in etwa dem der Bundeswehr zwischen den Minentauchern und den Kampfschwimmern, wenngleich die Aufgabenbereiche und das Fähigkeitsspektrum sich teilweise gleichen. Eine Vorführung beider türkischer Marine-Spezialeinheiten von Anfang des Jahres 2016 kann man in diesem Video der türkischen Streitkräfte sehen.

Bereits im Mai sollen 20 türkische Spezialeinsatzkräfte für eine nur vier Stunden dauerende Operation auf syrisches Gebiet vorgedrungen sein, um Ziele des IS zu identifizieren.

Spezialkräfte aller Länder in Syrien vereinigt

Spezialkräfte verschiedener Streitkräfte operieren seit Jahren gegen den IS. K-ISOM berichtete vielfach über die Einsätze, die – außer von Kanada – in den letzten Jahren offiziell nie bestätigt wurden (s. hier, hier, hier und hier).

Dass vor allem westliche Spezialkräfte mit hoher Wahrscheinlichkeit in Syrien und Irak operieren liegt an der Art des Konfliktes, den Konfliktparteien und den Luftangriffsoperationen. In dem bewaffneten Konflikt bildet der Westen viele staatliche bzw. sub-staatliche Polizei- und Militärkräfte aus, dies ist eine zentrale Aufgabe westlicher Spezialkräfte. Sie dienen zudem als Verbindungselement, als Berater und als frontnahe Feuerleitkräfte für Luftnah- bzw. Artillerieunterstützung. Darüber hinaus ergreifen sie ebenfalls gegnerische Hochwertziele weit hinter den Frontlinien.

Angesichts der Offensive gegen den IS in Syrien und Irak haben sich die Hinweise auf eine immer aktivere Führungsrolle bei den Kampfhandlungen weiter verdichtet:

Im folgenden Videobericht vom April dieses Jahres sieht man weitere Spezialeinheiten im Kampf gegen den IS in Aktion. Bemerkenswert sind die Nahaufnahmen und ihre Rolle als Feuerleitsoldaten.

Der verdeckte Einsatz von Spezialeinheiten und ihre offensiven Kampfeinsätze werden von Nichtregierungsbehörden und von den Staatsregierungen, auf dessen Territorium diese Operationen stattfinden, kritisch gesehen (mehr dazu hier und hier).

Libyen: Spezialkräfte auf dem Boden

In dem zwischen verschiedenen Lagern und ihren rund 2000 unterschiedlichen Milizen aufgeteilten Libyen unterstützen westliche Streitkräfte die Einheitsregierung. Auch dort scheinen die Anti-IS-Kräfte immer direkter und offensiver von westlichen Streitkräften unterstützt zu werden:

Peschmerga-Soldaten üben im Manila Trainingszentrum: Peschmerga-Soldaten bereiten sich während einer Gefechtsübung im Nord-Irak am 25. Juli 2016 auf einen Angriff auf ihre Stellungen vor. Die Ausbildung beinhaltet Defensivoperationen bei Tag und Nacht, Bewegungsabläufe und Angriffe auf Positionen des Gegners. Bild: US DoD/Army Photo/Maj. Allen Hill

Peschmerga-Soldaten üben im Manila Trainingszentrum: Peschmerga-Soldaten bereiten sich während einer Gefechtsübung im Nord-Irak am 25. Juli 2016 auf einen Angriff auf ihre Stellungen vor. Die Ausbildung beinhaltet Defensivoperationen bei Tag und Nacht, Bewegungsabläufe und Angriffe auf Positionen des Gegners. Bild: US DoD/Army Photo/Maj. Allen Hill

  • Jordanische Spezialeinheiten operieren zusammen mit dem britischen SAS seit Anfang 2016 in Libyen, so eine Aussage des jordanischen Königs bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten. Einer der Gründe scheint zu sein, dass das Arabisch aus Jordanien dem des libyschen Arabisch ähnelt, berichtete „The Guardian“ bereits im März.
  • Zum ersten Mal unterstützt momentan eine US-Spezialoperation in Libyen direkt die Anti-IS-Kräfte in Libyen. Zusammen mit britischen Kräften werden die Kräfte von einem gemeinsam betriebenen Operationszentrum in der Nähe der umkämpften Stadt Sirte befehligt. Dies bestätigte eine anonyme Quelle der Zeitung „Washington Post“. Demnach sollen sie insbesondere Angriffsziele für die Kampfflugzeuge identifizieren und markieren. Seit dem 1. August fliegen die US-Streitkräfte Luftangriffe mit dem Ziel, den IS aus Sirte zu vertreiben. Neben Drohnen sollen auch „Super Cobras“ vom amerikanischen Mehrzweckschiffes „USS Wasp“ zum Einsatz gekommen sein.
  • Die Regierung Italiens hat bestätigt, dass eine nicht näher genannte Anzahl von Spezialeinheiten der Streitkräfte im Libyen eingesetzt wird. Befehligt vom dem italienischen Oberkommando für Spezialoperationen COFS (Comando interforze per le Operazioni delle Forze Speciali) sollen u.a. Spezialkräfte des 9. Luftsturmregiments (Col Moschin) im Einsatz sein, berichtet die italienische Ausgabe der „Huffington Post“.

Gefallene als Beweis für Spezialoperationen: Frankreichs Verluste in Libyen

Der französische Verteidigungsminister, Jean-Yves Le Drian, hat den Verlust von drei Soldaten in Libyen Ende Juli offiziell bestätigt. In einer kurzen, nichts über die Hintergründe aussagenden Pressemitteilung würdigte Le Drian den Mut und die Einsatzbereitschaft der Soldaten, die sie täglich bei Missionen gegen den Terrorismus an den Tag legen würden.

Nach Aussagen des Staatspräsidenten, François Hollande, kamen die drei Soldaten bei einem Erkundungseinsatz ums Leben. Genauere Information gab er nicht preis.

Libysche Quellen behaupten, dass der Hubschrauber bei Bengasi von einer Boden-Luft-Rakete, abgefeuert von Islamisten, getroffen worden sein soll. Somit bestätigt sich zum ersten Mal offiziell die weit verbreitete Vermutung, dass französische Spezialeinsatzkräfte im Land gegen Dschihadisten operieren. Bisher hieß es nur, dass Aufklärungsflüge über dem Land stattfänden, um nachrichtendienstliche Informationen zusammenzutragen.

2.Irakische Soldaten der 71. Brigade des Heeres rücken näher an ein Ziel heran, suchen Deckung während einer Übung im Lager Taji im Irak am 18. November 2015. Die Ausbildung ist Teil der der Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve, einer Koalitionn aus 60 Nationen im Kampf gegen den Islamischen Staat. Bild: US DoD/U.S. Army/Spc. William Marlow/Released

2. Irakische Soldaten der 71. Brigade des Heeres rücken näher an ein Ziel heran, suchen Deckung während einer Übung im Lager Taji im Irak am 18. November 2015. Die Ausbildung ist Teil der der Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve, einer Koalitionn aus 60 Nationen im Kampf gegen den Islamischen Staat. Bild: US DoD/U.S. Army/Spc. William Marlow/Released

Bereits im Februar dieses Jahres berichtete die Zeitung „Le Monde“ von militärischen Spezialeinheiten und nachrichtendienstlichen Operationen im Kampf gegen die Islamisten in Libyen. Nun scheint die Phase der Eindämmung und Nachrichtengewinnung zu Ende gegangen zu sein.  Mit hoher Wahrscheinlichkeit verfügen die westlichen Luftstreitkräfte nun über genügend identifizierte Angriffsziele für Offensivoperationen.

Nach dem Anschlag von Nizza bei den Feierlichkeiten und dem Feuerwerk am 14. Juli sagte Frankreichs Präsident Hollande: „Wir befinden uns vor einem Kampf, der lang sein wird. Wir haben einen Feind, der wieder zuschlagen wird.“ Um den Kampf fortzuführen wird der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ im Herbst wieder in die Luftangriffsoperationen der Anti-IS-Koalition eingreifen.

[ej]