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Warlord gegen Weltmacht: Rückblick auf die Schlacht von Mogadischu 1993

Die Schlacht von Mogadischu tobte am 3. und 4. Oktober 1993 in der somalischen Hauptstadt zwischen den Milizen des somalischen ‚Kriegsfürsten‘ Aidid und ca. 90 US-amerikanischen Spezialeinsatzkräften der „Delta Force“ und den Army Rangern, die von Piloten des 160th Special Operations Aviation Regiment (Airborne), den „Night Stalkern“, unterstützt wurden.

Obwohl das Operationsziel, die Verhaftung von mehreren Gefolgsleuten von Aidid in einem Hotel in Mogadischu, zügig erreicht wurde, begann das Debakel mit einem Treffer eines „Black-Hawk“-Hubschraubers kurz vor dem planmäßigen Abzug. Die tieffliegenden Hubschrauber der „Night Stalker“ konnten von den Dächern leicht beschossen werden, denn die Operation wurde bei Tageslicht in einem von feindlichen Kämpfern beherrschten Stadtteil ausgeführt. Vor kurzem wurde das Originalvideo des Absturzes des ersten (von zwei) Hubschraubern veröffentlicht (Video hier). Der Pilot Mike Durant wurde gefangengenommen, eine Leiche eines US-Soldaten wurde nackt durch die Straßen Mogadischus gezogen (Bilder hier).

Die US-Truppen befanden sich im Rahmen der Mission der Vereinten Nationen (UNOSOM, United Nations Operation in Somalia) in Somalia, um Sicherheit und Stabilität in dem zerfallenden Staate wieder herzustellen, und vor allem um eine Hungerkatastrophe zu verhindern. Aufgrund des Bürgerkrieges kämpften im Land verschiedene Gruppierungen um die Kontrolle. Einer der Anführer dieser Milizen war Mohamed Farah Aidid. Im Juni 1993 töteten die Milizen Aidids 24 pakistanische UN-Soldaten.

Die „Little Bird“-Hubschrauber setzten planmäßig Soldaten der „Delta Force“ ab, deren Aufgabe der Zugriff selbst war. Die Aufgabe der US Army Ranger bestand in der Außensicherung (mehr zum Ablauf hier). Nach den Abstürzen der „Black Hawks“ wandelte sich die Angriffsoperation zu einer Rettungsaktion, und aus einer humanitären Mission der UNO wurde ein Kampfeinsatz im Häuserdschungel. Die eingesetzten US-Kräfte konnten die Rettung der abgestürzten Besatzung nicht so schnell organisieren, wie die Milizionäre ihre Kräfte zum Gegenangriff formieren konnten. So fanden sich die US-Kräfte umgeben von tausenden feindlichen Milizen und einer feindlichen Bevölkerung mitten in einer Stadt wieder – ohne die Chance, mit den Helikoptern zu exfiltrieren.

Die Schlacht in Mogadischu zeigte – genau wie die Friedensmissionen auf dem Balkan – die Herausforderungen auf einem modernen Schlachtfeld: dem „Three Block War“. Der Kommandant der Marines, Charles C. Krulak, prägte den Begriff Mitte der 1990er Jahre. Der Begriff umschreibt die Problematik, dass die Streitkräfte in zerfallenden Staaten („Failed States“) auf engstem Raum (innerhalb von drei Häuserblöcken einer Stadt) parallel friedenssichernde Einsätze, humanitäre Hilfsaktionen und Kampfoperationen durchführen müssen.

Bei der Rettungsoperation am nächsten Morgen konnten die eingeschlossenen US-Kräfte mit gepanzerten Gefechtsfahrzeugen aus dem Kampfgebiet evakuiert werden. Auf somalischer Seite gab es schätzungsweise 500 Tote und 1.000 Verwundete. 18 Amerikaner starben, ca. 84 wurden verwundet. Die „Delta Force“-Operators Randy Shugart und Gary Gordon wurden beim Versuch getötet, eine Absturzstelle gegen die Angreifer zu verteidigen. Sie wurden getötet. Posthum erhielten sie für diesen Einsatz die „Medal of Honor“. Aidid ließ Tage nach der Operation den Piloten Mike Durant frei. Präsident Bill Clinton hatte zugesagt, dass die USA in diesem Fall auf Vergeltungsmaßnahmen verzichten würden.

Die Ereignisse wurde unter dem Titel „Black Hawk Down“ verfilmt; die Vorlage für den Spielfilm lieferte das gleichnamige Buch des Journalisten Mike Bowden.

Die Bundesrepublik Deutschland entsandte damals den Deutschen Unterstützungsverband Somalia in das Land (TV-Reportage hier).

Für die Weltmacht USA war die Operation unter militärischen Gesichtspunkten zwar ein Erfolg, die Folgen waren es jedoch nicht. Die Bilder der von einem wütenden Mob durch die Straßen geschliffenen US-Soldaten führten dazu, dass sich die USA aus dem Land zurückzogen. Der kommandiere General Garrison übernahm für die Operation die Verantwortung. Seiner Meinung nach waren aber die Aufklärungsergebnisse ausgezeichnet, die Feindkapazitäten seien bekannt gewesen und Notfallplanungen hätten bestanden.

Die Schlacht von Mogadischu brachte für verschiedene Personen unterschiedliche Erkenntnisse: 

Erstens: Bill Clinton kam in seinem Memoiren zu der Einschätzung, dass der „Angriff ein Fehler“ war. „In einem Krieg hätte man die Risiken eines Einsatzes bei Tag vielleicht in Kauf nehmen können, in einer Friedensmission aber waren sie inakzeptabel“, so Clinton weiter.

Zweitens: Das Verhalten der Regierung der USA, sich nach den Verlusten, zurückzuziehen, war für Usama Bin Laden der Beleg für die „Schwäche und Feigheit der US-Soldaten“. Jahre später untermauerte er seine Einschätzung über die US-Politik, die auch auf den Ereignissen in Somalia beruhte. Seiner Meinung nach konnten die Amerikaner lange Kriege nicht durchstehen: „die Amerikaner sind Papiertiger.“

Drittens: Für Stanley McChrystal, dem späteren ISAF-Kommandeur sowie Kommandeur des Joint Special Operations Command (JSOC) von USSOCOM, war damals dieses Gefecht die Erinnerung daran, dass trotz der Fortschritte bei den US-Spezialeinsatzkräften und den traumatischen Erfahrungen in Vietnam und bei der gescheiterten Geiselbefreiung im Iran 1980 („Eagle Claw“) der „Tod und die Niederlage“ immer stets „nahe dabei sind.“ Aus diesem Grund arbeiteten die Verantwortlichen bei den Spezialeinsatzkräften seit diesen Ereignissen an Einsatzkräften, „die gewinnen würden.“

Viertens: Tony Lake, Sicherheitsberater unter Präsident Clinton, brachte damals angesichts der Lage in Somalia und der weiteren unübersichtlichen Krisenherde der Welt einen Wunsch zum Ausdruck: „Manchmal sehne ich mich wirklich nach dem Kalten Krieg zurück.“

 

Weiterführende Informationen:

  • Interview mit einem US Ranger von damals und Film über seine Rückkehr nach Mogadischu hier