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Sydney-Geiselnahme: State Protection Group stürmte mit Emergency Action Plan – Kill-shot nicht möglich

Nach einer fast 17 Stunden andauernden Geiselnahme im australischen Sydney haben Spezialeinsatzkräfte der Polizei das Café im Stadtzentrum gestürmt und den radikalislamischen Geiselnehmer erschossen. Es handelte sich ersten Ermittlungen nach um einen Einzeltäter, der die 17 Geiseln in dem beliebten Café festhielt.
Der 50-jährige Iraner genoss Asyl in Australien, war im Zusammenhang mit dem Tod seiner ehemaligen Frau wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, wurde wegen beleidigender Briefe an die Hinterbliebenen von gefallenen Soldaten verurteilt und wurde der sexuellen Belästigung in mehr als 40 Fällen beschuldigt.
Im folgenden Video sieht man ein Angriffsteam der Polizei in Position vor den Geschäftsräumen auf der Straße. Dann stürmt es hinein und während die ersten Spezialeinsatzkräfte bereits in die Räumlichkeiten eingedrungen sind, werfen die Kollegen von draußen weitere Blend- bzw. Schockgranaten in die Räume. Weitere TV-Berichte finden sich hier und hier .

Der Geschäftsführer des Cafés soll versucht haben, dem immer müder werdenden Geiselnehmer seine Waffe zu entwenden. Dabei wurde er vermutlich erschossen. Diese Schüsse waren wohl für die wartenden Spezialeinsatzkräfte das auslösende Moment, gegen zwei Uhr am frühen Dienstagmorgen die Räumlichkeiten zu stürmen. Bei der Erstürmung starben zwei Geiseln und der Geiselnehmer. Ein Polizist wurde verletzt.
Dieses unkommentierte Video eines australischen Senders, der seine Büroräume direkt gegenüber dem Café hat, zeigt neben den bekannten Aufnahmen von der Straße auch einige flüchtige Einblicke in die Räumlichkeiten während der Erstürmung. Gut zu erkennen sind die Wirkungen der Blendgranaten sowie die Bewegungen einiger Spezialeinsatzkräfte im Raum und an der Tür. Am Fenster deutlich zu erkennen ist die vom Geiselnehmer aufgehängte Fahne mit dem islamischen Glaubensbekenntnis.

Nach Aussage der Polizei hörten die Beamten der Einsatzteams vor den Café-Räumlichkeiten die Schüsse. Laut Andrew Scipione von der NSW-Polizei handelte es sich um einen Notfall-Aktionsplan (Emergency Action Plan; siehe Bericht und entsprechende Video mit seinen Aussagen hier).
Solche Notangriffe bei Geiselnahmen basieren nicht auf einem genauen Plan für die Erstürmung der Räumlichkeiten, sondern es handelt sich um Sofortmaßnahmen bei einer rapiden Verschlechterung der Lage bzw. einer akuten Gefährdung der Geiseln. Ein solch schneller Sturmangriff ohne genaue Informationen über den genauen Standort der Geiselnehmer oder der Geiseln basiert darauf, über einen Zugang so schnell wie möglich in die Räumlichkeiten einzudringen und die Ziele (also den oder die Geiselnehmer) zu finden und unschädlich zu machen. Die Einsatzkräfte können sich also nicht für die beste von verschiedenen Zugriffsvarianten entscheiden. Der britische Special Air Service (SAS) bezeichnet eine solche Einsatzmaßnahme als Immediate Action.

Kein Kill-shot durch Präzisionsschützen

Präzisionsschützen konnten nach bisherigen Informationen vorher für einen finalen Rettungsschuss bzw. gezielten Todesschuss nicht eingesetzt werden, weil das Schussfeld nicht frei war bzw. mehrere Geiseln an den Fenstern standen. Auch war nicht klar, wie viele Geiselnehmer es gab, wo er oder sie genau standen und ob er in seinem Rucksack Bomben trug. Mehr dazu hier und in dem nachfolgenden Video.

Fotostrecken und Zeitleisten mit dem minutiösen Ablauf der Ereignisse finden sich hier, hier, hier und hier. Teile der eingesetzten Spezialeinsatzkräfte der Polizei sind auf diesen Fotos und diesen hier zu erkennen.

Nach Informationen des australischen Senders „9News“ handelte es sich bei der eingesetzten Einheit um die State Protection Group. Die State Protection Group (SPG) gehört zu den spezialisierten Kräften der Polizei von New South Wales, deren Aufgabenschwerpunkt in den Bereichen „Spezialtaktiken und Anti-Terror“ liegt.
Die SPG ist die Einheit für Hochrisikooperationen und verfügt über eine
– Verhandlungseinheit,
– K-9-Einheit,
– Kampfmittelbeseitigungseinheit und
– Einheit für taktische Operationen (Tactical Operations Unit).

Die Tactical Operations Unit der State Protection Group zeigt sich hier in einen kurzen Video:

Ein Einsatzfahrzeug der NSW-Polizei ist der „Bearcat“ des Unternehmens Lenco, welches im folgenden Video kurz vorgestellt wird.

Operation Hammerhead

Als Folge der Geisellage hat die Polizei des australischen Bundesstaates New South Wales die „Operation Hammerhead“ (Operation Hammerkopf) ausgerufen. Der Plan sieht angesichts der erhöhten Bedrohungslage durch radikalislamische Einzeltäter vor, dass die Polizeikräfte in den kommenden drei Wochen rund um die Uhr sichtbar an öffentlichen Plätzen, an neuralgischen Punkten und im öffentlichen Nahverkehr der Stadt Sydney Präsenz zeigen. An dieser Operation nehmen sowohl die regulären Polizeikräfte und die Bereitschaftspolizei als auch die spezialisierten Einheiten der Polizei teil. Dies teilte die Polizei in einer Pressemitteilung mit.
Vor wenigen Monaten fand eine der größten Anti-Terror-Razzien gegen Islamisten in Australien statt, wie K-ISOM hier berichtete. [ej]