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Irak: Direkte Luftangriffe auf IS, indirekte Beteiligung an Bodenkämpfen

Der Einsatz von Spezialkräften verschiedener Staaten an den Operationen zur Bekämpfung der Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) im Irak wird zunehmen. Wie K-ISOM hier kürzlich meldete, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Spezialkräfte der USA und Großbritanniens im direkten bzw. indirekten Kampf gegen die IS-Milizen beteiligt.
Nach Angaben französischer Medien bildet ein Team von französischen Spezialkräften die kurdischen Milizen an einer Kanone sowjetischer Herkunft aus, über die die Kurden verfügen. Daneben wären die französischen Spezialkräfte in der Lage, Angriffsobjekte für die Kampfflugzeuge der US-Luftwaffe zu identifizieren. In Erbil soll sich ein 8-köpfiges Team der Franzosen befinden. Diese Spezialkräfte sollen die Kurden in die von Frankreich gelieferte Ausrüstung einweisen. Zudem sollen sie auch an Lagebesprechungen mit den US-Militärberatern teilnehmen.
Genauere Einzelheiten über die bereits im Irak befindlichen Einheiten, ihren Umfang, die ungefähren Aufenthaltsorte und die Aufträge sind nicht bekannt.

Nach Obamas Rede: Ausweitung der Luftangriffe und eine niedriges Profil auf dem Boden

In seiner kurzen Grundsatzrede (hier Text und Video der Rede) über die Bedrohungseinschätzung und Strategie der US-Regierung im Kampf gegen die IS-Kämpfer sagte Präsident Obama, dass es das Ziel sei, die IS zu schwächen und letztlich zu zerstören. Zu diesem Zweck werde es systematische Luftangriffsoperationen gegen die IS sowohl im Irak als auch in Syrien geben. Darüber hinaus werde man die kurdischen bzw. irakischen Kräfte am Boden unterstützen, damit sie gegen die IS-Terrorgruppierungen in die Offensive gehen können. Nach den Worten Obamas werden die USA sich „nicht in einen weiteren Bodenkrieg im Irak ziehen lassen.“
Nach der Rede hat die Diskussion über die Beteiligung von Streitkräften in verschiedenen Staaten begonnen.
Neben den Spezialkräften ist die französische Regierung ebenfalls bereit, sich an den Luftangriffsoperationen auf die Einheiten der IS zu beteiligen.
Auch ist Australien bereit, den Feldzug militärisch zu unterstützen. Laut einem Medienbericht wird die australische Regierung in Kürze über ihren Beitrag beraten. Angeblich sollen die Amerikaner an den Spezialeinheiten der Australier besonders interessiert sein: am Special Air Service Regiment (SASR) und 1st bzw. 2nd Commando Regiment. Diese drei bilden die Kampfeinheiten des australischen Special Operations Command (SOCOMD). Im Falle eines Einsatzes werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den kurdischen Kämpfern als Berater zur Seite stehen. K-ISOM berichtete hier über australische Spezialkräfte. Hintergründe zu den australischen Spezialeinsatzkräften finden sich in der K-ISOM-Ausgabe Nr. 1/2014.
Die Diskussion in Deutschland über eine mögliche Beteiligung an Kampfhandlungen gegen die Milizen des IS hat gerade begonnen. Antworten und Aussagen der Bundesregierung bzw. von Mitgliedern des Bundestages in der beginnende Diskussion findet sich hier, hier und hier.
Ungeachtet der Debatte haben zwei deutsche Hauptfeldwebel des militärischen Verbindungselementes in Erbil damit begonnen, 33 kurdische Peschmerga in die gelieferten Funkgeräte, Metallsuchgeräte und Nachtsichtgeräte einzuweisen. Dies teilte die Bundeswehr auf ihrer Internetseite mit. Auch in die angekündigten und demnächst zu liefernden Waffen und Fahrzeuge werden die Kurden eingewiesen.
Wie der Blog „Augen geradeaus!“ berichtet, werden Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 261 in den Irak verlegt werden, um dort die kurdischen Kämpfer in die Waffensysteme und die Ausrüstungen einzuweisen. Das Fallschirmjägerbataillon aus Lebach gehört zur Luftlandebrigade 26 der Division Schnelle Kräfte.
Großbritannien hat ebenfalls Waffen und Munition nach Erbil geliefert, wie das nachfolgende offizielle Video zeigt.

Alle am Feldzug gegen die IS beteiligten Nationen betonen, dass sie kein Interesse an Kampfeinsätzen von Bodentruppen haben. Die militärische Vorgehensweise aus direkten Luftangriffen auf die IS, militärischer und humanitärer Hilfe für die IS-Gegner und die Verfolgten sowie die personelle Unterstützung durch Militärberater ähnelt dem Vorgehen der US-Streitkräfte zu Beginn der Intervention in Afghanistan 2001. Damals operierten mehrere A-Teams der US Special Forces mit afghanischen Kämpfern und koordinierten ihre Operationen mit den Luftangriffen der US-Luftwaffe. Damals wie heute soll die Kombination aus beratenden und das Feuer leitenden kleinen Teams am Boden und der großen Feuerkraft der Luftwaffe die radikalislamischen Gruppierungen zurückdrängen.
Zu diesem Zweck hat Präsident Obama die Entsendung von weiteren fast 500 Angehörigen der US-Streitkräfte in den Irak angekündigt, um die irakischen und kurdischen Kräfte zu beraten und mit nachrichtendienstlichen Mitteln und Aufklärungsflügen zu unterstützen.

Bis Mittwoch haben die Kampfflugzeuge und Drohnen der USA nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums in der am 8. August begonnen Operation 154 Luftangriffe geflogen und dabei 212 Ziele angegriffen. Unter den zerstörten Zielen im Norden Iraks waren 162 Fahrzeuge, dabei handelte es sich um:

  • 88 bewaffnete Fahrzeuge,
  • 37 Humvees,
  • 12 gepanzerte Mannschaftstransporter,
  • zwei Kampfpanzer,
  • ein MRAP (Mine Resistant Ambush Protected)
  • ein Baufahrzeug und
  • 21 andere Fahrzeuge

Das nachfolgende Video des US Central Commands zeigt die Zerstörung eines Fahrzeugs in der Nähe von Erbil am 26. August.

Weiterhin wurden 21 Waffensysteme der IS getroffen, darunter Flugabwehrsysteme, Mörser- und Maschinengewehrstellungen.

Ein deutscher Ex-Rapper und der Völkermord

Nach Einschätzungen des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA umfasst die IS nach den Geländegewinnen der letzten Monate und einer darauf basierenden verstärkten Rekrutierung zwischen 20.000 und knapp 32.000 Kämpfern. Dazu gehören nach Lagebeobachtung deutscher Sicherheitsbehörden auch 400 Kämpfer aus Deutschland.
Die Vereinten Nationen und Amnesty International bewerten das Vorgehen der IS-Milizen als ethnische und religiöse Säuberungen (Videos hier und hier).
Gemäß weiterer Zeugenaussagen hat die IS

  • mehrere Hundert Kinder getötet bzw. verstümmelt,
  • standrechtliche Erschießungen durchgeführt,
  • Kinder als Selbstmordattentäter zwangsrekrutiert.

Zum engeren Kreis der Führung der radikalislamischen IS-Dschihadisten rechnen deutsche Verfassungsschützer den ehemaligen Rapper Denis Cusbert alias „Deso Dogg“ bzw. Abu Talha Al-Almani aus Berlin. K-ISOM berichtete über die Gefährlichkeit des salafistischen Dschihadisten hier und hier.

Die Bundesregierung hat die IS und ihre Symbole, darunter die Flagge, heute verboten sowie ein Betätigungsverbot ausgesprochen.
Die Flagge des „Islamischen Staates“, die die Kämpfer im Feld tragen und die sie in Videos zeigen (s. nachfolgendes Video der IS) hat einen schwarzen Grund. Der Prophet Mohammed soll ebenso eine schwarze Flagge benutzt haben.
Auf der Fahne befinden sich meistens zwei Sätze auf Arabisch: Oben steht in weißen Buchstaben der erste Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses; übersetzt heißt es „Es gibt keinen Gott außer Gott“. In dem weißen Kreis in der Mitte steht die angebliche Inschrift eines Siegelrings des Propheten Mohammed; übersetzt heißt es „Gottes Prophet ist Mohammed“. Im nachfolgenden IS-Video ist die Fahne mehrfach zu erkennen. Das Video kündigt die Eroberung Jerusalems, Spaniens und Roms an.

Angesichts der großflächigen Ausbreitung der IS-Kräfte in Syrien und im Irak sowie diffuser Lageinformationen über die militärische Schlagkraft der Dschihadisten ist davon auszugehen, dass verschiedene Einheiten westlicher Spezialkräfte im Einflussgebiet operieren. Durch Aufklärungsmissionen mit dem Ziel, das Lagebild über die irregulären und aus der Luft schwer zu identifizierenden Feindkräfte zu vervollständigen, werden die Einheiten ihre militärischen und politischen Entscheidungsträger mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Schlüsselinformationen versorgen.
Aufklärungsmissionen sind eine der Kernkompetenzen von Spezialeinsatzkräften. Manche Einheiten sind darauf spezialisiert, zum Beispiel die Fernspäher der Bundeswehr oder das französische 13. Dragoner-Fallschirmjägerregiment. Fernaufklärung gehört ebenso zum Aufgabenspektrum des KSK. K-ISOM berichtete vor dem Hintergrund des Syrien-Konflikts über einen KSK-Einsatz im Nachbarland Jordanien. Über die weitere Entwicklungen in der Region und die Einsätze von Spezialeinheiten berichtete K-ISOM hier, hier und hier. [ej]