Die Generalstabschefs bzw. Kommandeure des US-Heeres, General Odierno, des US-Marinekorps, General Amos, und der US-Spezialeinsatzkräfte, Admiral McRaven, haben ein Grundsatzpapier über die Erfahrungen der Landstreitkräfte und die Herausforderungen für die Zukunft veröffentlicht. In diesem „White Paper“ mit dem Titel „Strategic Landpower: Winning the Clash of Wills“ arbeiten die Oberbefehlshaber der Einheiten der US-Streitkräfte, die den Hauptanteil an den Expeditionsstreitkräften und den kriegsentscheidenden Operationen an Land haben, die Grundsätze für die Militäroperationen der Zukunft heraus. Der Schwerpunkt liegt auf dem effektiveren Einsatz von Landstreitkräften.
Von den verantwortlichen Kommandeuren der Teilstreitkräfte, die diese Gedanken zusammengetragen haben, ragt Admiral McRaven hervor. Im Gegensatz zu den beiden anderen Verantwortlichen hat er als Soldat und Kommandeur die strategische, operative und taktische Bedeutung von Landoperationen – und ihre sich ständig verändernden Anforderungen – erlebt, sowohl in kleineren Einheiten als auch in größeren Verbänden.
Die 6-seitige Denkschrift benennt bemerkenswerterweise die Fehler vergangener Militärinterventionen. Als Beispiel nennt das Dokument das mangelnde Verständnis für die Ambitionen des Milosevic-Regimes im ehemaligen Jugoslawien und die ethnischen Konflikte auf dem Balkan. Ein früheres Eingreifen von effektiven Landstreitkräften hätte die „humanitäre Katastrophe in Bosnien und Kosovo verhindern können.“
Ebenso auffällig ist eine zentrale Lehre für die US-Interventionsstreitkräfte, die auf die Kriege nach dem 11. September 2001 anspielt: „Wie ein Krieg endet ist wichtiger für die Zukunft als der Beginn.“ Ohne dafür direkt ein Beispiel zu nennen, ist es jedoch höchstwahrscheinlich, dass damit auf die negativen Erfahrungen der USA nach der schnellen Eroberung Bagdads im Jahre 2003 angespielt werden soll. Der Feldzug der Koalitionsstreitkräfte führte damals schnell zu einem militärischen Sieg. Allerdings verfügten die USA zu jener Zeit nur über eine ungenügende Anzahl von Landstreitkräften, um die Lage im Nachkriegs-Irak zu stabilisieren. Das Papier nennt deshalb eine mögliche Folge fehlender ‚Stiefel am Boden‘: Fehlende US-Landoperationen „reduzieren oder machen es sogar ganz unmöglich“ eine Nachkriegssituation zu beeinflussen. Mit anderen Worten heißt das, dass nur Kräfte auf dem Boden auch langfristig den Einfluss sichern.
Bereits bei der Vorstellung der Arbeitsgruppe im Mai dieses Jahres betonte General Odierno eine zentrale Erkenntnis aus den Kriegen in Irak und in Afghanistan, nämlich die Zusammenarbeit zwischen den konventionellen Streitkräften und den Spezialeinsatzkräften. Diese Beziehung sei „sehr wichtig“, so der General damals.
Im Zentrum der Erfahrungen der diversen Bodenkräfte steht die „menschliche Dimension“. Gewinnen können man Konflikte, die man als Zusammenprall von Interessen und Willen interpretiert, nur, wenn man die „menschliche Dimension“ – das „physische, kulturelle und soziale Umfeld“ -, stärker berücksichtigen wird.
In diesem Zusammenhang erwähnen die drei Kommandeure auch selbstkritisch, dass das Unverständnis der USA für manche Konfliktherde darauf beruhe, dass die USA physisch gesehen einen „Inselcharakter“ hätten und vereinfacht davon ausgingen, dass andere Völker genauso seien wie die USA – oder so sein wollten. Zudem sähe die amerikanische Kultur Konflikte als eher „technische Probleme“ und fokussierte bei Konfliktlösungen dann auch auf eher „technische Mittel“. Doch Hybrid-Warfare (eine Definition findet sich in dieser K-ISOM-Meldung) und die komplexen Konfliktzusammenhänge basieren eher auf menschlichen Faktoren, so die Autoren der Denkschrift.
Insbesondere die Spezialeinsatzkräfte verfügen demnach über eine „Kernkompetenz“ für effektive Einsätze im menschlichen/zwischenmenschlichen Bereich, so z.B. bei friedenssichernden, stabilitätsorientierten Militäroperationen und bei Ausbildungseinsätzen.
Bezeichnend an dem Papier und an der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe war, dass die Spezialeinsatzkräfte der USA de facto gleichberechtigt als eigene Teilstreitkraft angesehen werden.
Für die US-Regierung steht zunehmend die Effektivität von Militäreinsätzen im Fokus. Lange und verlustreiche Kriege und Militäroperationen haben in den vergangenen Jahren die Meinung der breiten Öffentlichkeit dahingehend verstärkt, dass die USA sich bei Militäroperationen eher zurückhaltend zeigen sollten, um sich auf die eigenen Probleme zu konzentrieren.
Weiterführende Informationen:
- Video einer Diskussion eines Symposiums über das Thema hier
- Videoreportage der US-Streitkräfte und die wahrscheinlichen politik- und militärstrategischen Herausforderungen der Zukunft und der Anforderungen an schnelle, globale Eingreifkräfte
- Hintergründe über McRaven im Video hier