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Spezialeinsatzkommandos der Polizei in Anti-Terror-Einsätzen in Frankreich und Deutschland – Rückblick

Die islamistischen Attentäter von Paris planten einen weiteren Anschlag. Dies ergibt sich aus dem derzeitigen Ermittlungsstand und einem Zugriff am vergangenen Mittwochmorgen in Paris. Mit einem Großaufgebot aus Polizei, verschiedenen Spezialeinsatzkräften und Soldaten begann Mittwochmorgen um 4 Uhr 20 der Zugriff auf eine Wohnung im Pariser Stadtteil Saint-Denis. Bei dem Zugriffsversuch
– setzte man rund 5000 Schuss Munition ein, weil das Überraschungsmoment durch eine gescheiterte Zugangssprenungen verloren ging (Tür war gepanzert),

– tötete man eine Person durch einen Präzisionsschützen der Polizei,

– verhaftete man sieben Personen in der Wohnung und in unmittelbarer Nähe des Einsatzortes.

Nach Angaben der französischen Nationalpolizei töteten die Terroristen einen Einsatzhund der Einheit RAID. Fünf Spezialeinsatzkräfte verletzten sich beim dem Einsatz.

RAID im Morgengrauen

Nach Meldungen von „Paris Match“ griffen Kräfte der RAID und von BRI zu. Nach Berichten der Zeitung „Le Monde“ führte RAID den Zugriff auf die Wohnung aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Angriffskräfte der RAID den Angriff führten, während BRI-Kräfte das Umfeld sicherten. Dieses Foto zeigt BRI-Kräfte mit einem Verhafteten.
In beiden folgenden Videos von Privatpersonen soll der Ort des Zugriffs zu sehen sein. Deutlich hört man Schüsse und Detonationen.

 

BRI: „Wie in Dantes Hölle“ – „Und es ist nur der Anfang.“

Die Einschätzung, dass Folgeanschläge geplant waren, hat ein Zeuge des Terrorangriffes vom Freitag, den 13.11.,  bestätigt. Gegenüber „La Provence“ gab einer der Geiseln mit dem Vornamen Sébastien die Worte eines der Dschihadisten wider, der diese beim Angriff auf den Veranstaltungsort Bataclan in Paris wörtlich gesagt haben soll: „Es ist Krieg. Und es ist nur der Anfang“. (C’est la guerre ! Et ce n’est que le début.)
Weitere Einzelheiten des Polizeieinsatzes während des Terrorangriffes sind bekannt geworden. So drang ein Kriminalpolizist als erster in das Bataclan ein und erschoss einen der Geiselnehmer. Rund 35 Minuten nach
dem Beginn des Terrorangriffes rückten Kräfte der BRI vor, ohne dass ein Schuss fiel. Im Raum lagen Lebende, die sich tot stellen, zwischen den wahllos Getöteten. Gegen 23 Uhr 15 nahm man telefonisch Kontakt mit den Geiselnehmern auf, die sich mit Geiseln in einem Raum bzw. Gang verschanzten. Sie forderten den Rückzug der Polizei, ansonsten würden sie Geiseln köpfen und vom Balkon zu stürzen.
Nach einer weiteren Stunde griffen die Spezialeinsatzkräfte die Geiselnehmer an, die Geiseln als menschliche Schutzschilde nutzten. Ein beteiligter Polizist der BRI sagte zu einer Zeitung, dass es wie in „Dantes Hölle“ war, zehn Mal so schlimm wie bei der Erstürmung des Supermarktes in Paris Anfang des Jahres.
Ein vollständiger Bericht mit Bilderstrecke befindet sich hier. Wie heftig der Zugriff gewesen sein muss, zeigt dieses Video mit einem Aufnahme des ballistischen Schildes der BRI, mit dem sie gegen die Attentäter vorgingen.

Ein weiteres Video in diesem Bericht der britischen „Daily Mail“ zeigt den Überfall auf ein Café, einen der Attentäter wie er versucht am Boden liegende Frauen zu erschießen und seine AK-47 Ladehemmung hat.

Französische Spezialeinsatzkräfte: Überblick und Einblicke

Bei den verschiedenen Anti-Terror-Einsätzen in Frankreich kommen unterschiedliche Einheiten zum Einsatz. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die folgenden Einheiten:
– GIGN steht für Groupement d’Intervention de la Gendarmerie Nationale (Interventionsgruppe der nationalen Gendarmerie). Die Spezialeinheit der paramilitärischen Gendarmerie ist dem Verteidigungsministerium unterstellt. Man setzte sie auch in Afghanistan ein.
– Seit dem 31. Juli 2009 werden die verschiedenen Polizeieinheiten des Innenministeriums operativ in der FIPN (Force d’Intervention de la Police Nationale/Eingreifkräfte der Nationalpolizei) gebündelt. Neben der RAID gehören dazu verschiedene BRI- und GIPN-Spezialeinsatzkräfte.
– RAID gehört zur französischen Nationalpolizei und untersteht dem Innenministerium. RAID ist ein Akronym. Die Buchstaben stehen für „Recherche“ (Ermittlung/Suche, aber auch Jagd bzw. nach etwas fahnden), „Assistance“ (Unterstützung), „Intervention“ (Eingreifen) und „Dissuasion“ (Abschreckung).
– BRI (Brigade de Recherche et d’Intervention/Fahndungs- und Interventionsbrigade) ist u.a. eine Einheit der Pariser Polizeipräfektur. Der Name erinnert zunächst an deutsche Mobile Einsatzkommandos (MEK). Allerdings war die BRI bei Anti-Terror-Einsätzen in Paris im Januar und November an Zugriffen direkt beteiligt. In Frankreich gibt es derzeit 13 BRI-Einheiten. Sie alle unterstehen der Kriminalpolizei (Police Judiciaire), die wiederum zur Nationalpolizei gehört.
– Die GIPN-Einheiten (Groupes d’Intervention de la Police Nationale/Interventionsgruppen der Nationalpolizei) sind vergleichbar mit lokalen, kleineren SEKs in Deutschland. In Frankreich gibt es derzeit sieben GIPN-Einheiten, die für bestimmte Metropolregionen bzw. Departements zuständig sind, und zwar in Lille, Straßburg, Rennes, Lyon, Bordeaux, Marseille und Nizza. In Übersee finden sich drei weitere Einheiten (La Réunion, Neu-Kaledonien und Guadeloupe).
In Ausgabe Nr. 2/2015 der „Kommando“ berichteten wir ausführlich über die Einheiten und den Einsatz in Paris im Januar dieses Jahres. Berichte und Videos über den Einsatz der verschiedenen Einheiten im Januar finden sich ebenfalls hier.

Das nachfolgende offizielle Video präsentiert GIPN.

Die in den 1980ern Jahren gegründete RAID stellt sich in diesem offiziellen Video des Innenministeriums vor.

Eindrücke einer Geiselnahme und das Eingreifen der BRI zeigt dieses ältere Video eines TV-Senders.

SEK-Einsätze in Aachen und Hannover – GSG 9 vorm Stadion

Mehrere Festnahmen durch Spezialeinsatzkräfte der NRW-Polizei im Zusammenhang mit der Fahndung nach den Attentätern und Hintermännern von Paris am vergangenen Dienstag in der Nähe von Aachen erwiesen sich nicht als gewünschter Fahndungserfolg. Alle sieben Festgenommenen waren unverdächtig. Man entließ sie wieder. Eine Bilderstrecke des Einsatzes findet sich hier.
Bei der Evakuierung, Sicherung und Absperrung des Fußballstadions in Hannover in der letzten Woche setzten die Sicherheitsbehörden auch das SEK aus Niedersachsen ein. Das Fußball-Freundschaftsspiel zwischen der DFB-Auswahl und der niederländischen Mannschaft sagte man kurzfristig ab. Es bestand eine konkrete Gefahrenlage für das Stadion und ganz Hannover.
Aufgrund vieler Medienberichte und Fotos (hier und hier) ist sicher davon auszugehen, dass auch die GSG 9 der Bundespolizei ihre SEK-Landeskollegen unterstützte. Die Ausrüstung, Ausstattung und Abzeichen sprechen dafür.
[ej]