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Straßenkampf, Schwerpunktbildung und strategische Abschreckung: Fallschirmjäger trainieren unterschiedliche Einsatzszenarien

Der Umfang und die Bedeutung von Luftlandetruppen bzw. Fallschirmjägern haben in den letzten zwei Jahrzehnten in den USA und Europa kontinuierlich abgenommen. Dies lag einerseits am Ende des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation mit seinen einhergehenden umfangreichen konventionellen Truppen in Mitteleuropa. Andererseits lag der Fokus seit 9/11 eher auf der langfristigen Aufstandsbekämpfung. Doch bei den Interventionen in Afghanistan, Irak und Mali gehörten Fallschirmjäger zu denen, die die Kampfhandlungen mit einem Sprung auf feindliches Gebiet eröffneten.

K-ISOM berichtete mehrfach über die Bedeutung der Luftlandetruppen, ihre vergangenen und ihre aktuellen Einsätze (hier und hier) und Manöver (hier, hier und hier) sowie über weitreichende Kürzungen. In der Ausgabe Nr. 3/2014 findet sich zudem ein Hintergrundbericht über die aktuelle Relevanz der Luftlandetruppen in den westlichen Streitkräften.

 Massenabsprünge von Fallschirmjägern, wie die Anfangsoperationen vor der Landung von alliierten Truppen in der Normandie vor heute genau 70 Jahren, fanden allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg kaum noch statt. Über das Gedenken an die Landungsoperation berichtete K-ISOM bereits vor zwei Jahren. Mehr zu Operation Overlord/„D-Day“, der militärischen Bedeutung und den diesjährigen Feierlichkeiten hier und hier. Im Gegensatz zu großen Luftlandungen konventioneller Truppenverbände stehen heute mehr die geheimen Infiltrationen per Fallschirm von unkonventionellen Spezialeinheiten im Fokus, so wie beispielsweise bei der belgischen Special Forces Group bei einer Übung in diesem Video.

Absprung von Fallschirmjägern bei einer Luftlande-Übung von Truppen Estlands und der USA auf einem Luftwaffenstützpunkt in Estland am 8. Mai 2014. US-Einheiten des Europa-Kommandos sind nach Polen, Litauen, Estland und Lettland zum Zwecke bilateraler Übungen verlegt worden, um die NATO-Sicherheitsgarantien für diese Staaten zu unterstreichen. Bild: DoD photo by Sgt. A.M. LaVey, U.S. Army/Released Bildlizenz.

Absprung von Fallschirmjägern bei einer Luftlande-Übung von Truppen Estlands und der USA auf einem Luftwaffenstützpunkt in Estland am 8. Mai 2014. US-Einheiten des Europa-Kommandos sind nach Polen, Litauen, Estland und Lettland zum Zwecke bilateraler Übungen verlegt worden, um die NATO-Sicherheitsgarantien für diese Staaten zu unterstreichen.
Bild: DoD photo by Sgt. A.M. LaVey, U.S. Army/Released Bildlizenz.

Das Übungsgeschehen der vergangenen Monate und insbesondere die jüngsten Lageentwicklungen in der Ukraine-Krise, die bei den osteuropäischen NATO-Partnern zu einer veränderten Bedrohungseinschätzung führte, hat gezeigt, dass gerade die Luftlandetruppen konventionelle Krisenreaktionskräfte in einem nennenswerten Umfang bereitstellen können. Luftlandeeinheiten sind in der Lage, schnell, kampfkräftig und mit einer Durchhaltefähigkeit eingesetzt zu werden. Dies gilt sowohl für Rettungs- und Evakuierungseinsätze außerhalb des NATO-Gebietes als auch für die kollektive Verteidigung des Bündnisgebietes, die aufgrund der Lage in Osteuropa vermehrt in den Fokus rückt. Die strategische Verlegbarkeit und direkte Einsatzbereitschaft haben die US-Streitkräfte bei einer Übung in Asien verdeutlicht. Bei der Übung „Cobra Gold 2014“ waren US-Fallschirmtruppen in Thailand nach einen langen Flug aus Alaska abgesprungen. K-ISOM berichtete hier.

Die Übungen und Manöver unterschiedlicher Größe aus den vergangenen Monaten veranschaulichen das breite Fähigkeitsspektrum der luftgestützten Krisenreaktionskräfte. Dieses reicht von klassischen Anfangsoperationen in der Tiefe des gegnerischen Raumes über die Bekämpfung von Aufständischen bis hin zu Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Krisengebieten.

Im Mai übten auf einem polnischen Manövergelände polnische, US-amerikanische und kanadische Fallschirmjäger ihre Zusammenarbeit. Ein Video mit Eindrücken findet sich hier. Die US-Fallschirmjäger des 1st Battalion, 503rd Infantry Regiment, 173rd Airborne Brigade sollen nicht nur die militärische Zusammenarbeit vertiefen, sondern insbesondere den osteuropäischen Allianzmitgliedern die geltende Bündnisgarantie im Verteidigungsfall aufzeigen. Bei der Übung „Orzel Alert“ in Polen Anfang Mai wurden auch 100 kanadische Fallschirmjäger abgesetzt (s. nachstehendes Video).

Noch interessanter ist die Perspektive der Übung gegen Ende dieses Videos.

Fallschirmjäger der 173rd Infantry Brigade Combat Team (Airborne) marschieren auf der Swidwin Luftwaffenbasis in Polen in Formation zusammen mit Soldaten ihrer Schwestereinheit, der polnischen 6. Luftlandebrigade,  am 23. April 2014. Bild: U.S. Army photo by Sgt. A.M. LaVey. Bildlizenz.

Fallschirmjäger der 173rd Infantry Brigade Combat Team (Airborne) marschieren auf der Swidwin Luftwaffenbasis in Polen in Formation zusammen mit Soldaten ihrer Schwestereinheit, der polnischen 6. Luftlandebrigade, am 23. April 2014. Bild: U.S. Army photo by Sgt. A.M. LaVey. Bildlizenz.

Fallschirmjäger der 173rd Airborne Brigade Combat Team sind Ende April neben Polen auch in Litauen, Estland und Lettland zu Übungsaufenthalten in Kompanie-Größe eingesetzt worden. Gerade diese NATO-Staaten sehen in dem aggressiven Verhalten Russlands eine Bedrohung.

Soldaten vom 2 Para und vom 3 Para (also 2nd bzw. 3rd Battalion The Parachute Regiment) trainierten im Februar dieses und letzten Jahres ihre Fertigkeiten als globale, schnelle Eingreifkräfte Großbritanniens. Beim einwöchigen Training übten sie neben dem klassischen Häuser- und Nahkampf auch eine zunehmend entscheidende Fertigkeit bei Kriseneinsätzen: den Umgang mit nicht-friedlichen Menschenansammlungen und Straßenkrawallen (Riot Control). Bei dem Ausbildungskonzept greifen die britischen Streitkräfte auf ihre Erfahrungen mit Straßenunruhen in bei ihren Einsätzen in Sierra Leone, Kosovo und Irak zurück. Mehr zu der Übungen hier und hier. Interessante Impressionen der britischen Luftlandetruppen bei Übungen zeigt auch das nachfolgende Video.

Elementar für luftgestützte Krisenreaktionskräfte ist nicht nur das erweiterte Fähigkeitsspektrum, sondern auch Interoperabilität mit anderen Einheiten. So trainierten Anfang 2014 britische Paras zusammen mit den französischen Legionären des 2. Fallschirmjägerregiments der Fremdenlegion (2e Régiment étranger de parachutistes). Dazu hier ein Videobericht in französischer Sprache sowie eine Bilderstrecke hier. Das nachstehende offizielle Video der Fallschirmjäger der Legion zeigt ihre umfangreichen Befähigungen.


Clip vidéo du 2e REP – 2013 von LegionEtrangereCOMLE

Das 2. REP ist eines von acht Regimentern der 11. Fallschirmjäger-Brigade Frankreichs. Die Brigade führte Mitte April die Übung „Montauban 2014“ durch. Dieser Videobericht in französischer Sprache veranschaulicht die diversen Übungsinhalte und lässt auch überraschte Bürger zu Wort kommen, die sich plötzlich im Übungsgeschehen wiederfanden. Denn der Übungskampf im bebauten Gelände fand teilweise bei laufenden Straßen- und Fußgängerverkehr statt (Bilderstrecke hier).

Die herausgehobene Bedeutung, sowohl für reaktionsfähige, luftverlastbare Einsatzkräfte als auch für die multilaterale Verteidigungszusammenarbeit, wird durch die niederländisch-deutsche Kooperation unterstrichen. Am 12. Juni werden die Fallschirmjäger der 11. Luftbeweglichen Brigade der Niederlande der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) mit einem feierlichen Appell begrüßt, berichtet der Blog „Augen geradeaus“. Die 2.100 niederländischen Soldaten unterstehen der DSK offiziell bereits seit dem 1. Januar dieses Jahres (K-ISOM meldete dies). Damit ist in Friedenszeiten zum ersten Mal ein niederländischer Verband einem deutschen Kommando direkt unterstellt. Die 11. Luftbewegliche Brigade trainierte im letzten Jahr mit der 82. Airborne Division der USA (hier im Video) sowie im April auf einem Truppenübungsplatz in Ungarn das Zusammenwirken mit weiteren US-Truppen (NATO-Videobericht hier).

Als Bindeglied zwischen hochspezialisierten, meistens verdeckt operierenden Spezialkräften und konventionellen Truppeneinheiten sind die Fallschirmjäger der Bundeswehr elementar, insbesondere als spezialisierte EGB-Kräfte (Erweiterte Grundbefähigung). Bei der zehntägigen Gefechtsübung „Eisregen II“ des Fallschirmjägerbataillons 373 im letzten Dezember lag der Schwerpunkt im Kampf gegen irreguläre Aufständische (s. folgendes BW-Video).

Im Rahmen dieser Bataillonsübung ‚kämpften‘ auch niederländische Soldaten der 11. Luftbeweglichen Brigade, wie dieser Videobericht der Bundeswehr zeigt.

Fallschirmjäger sind in vielen Kriegen und Kampfhandlungen nicht als ‚Truppe der 3. Dimension‘, also aus der Luft, eingesetzt worden, sondern wurden als reguläre Infanterie-Kräfte in den Kampf entsandt. Dass sie dabei Historisches leisteten, zeigte sich 1967 am Beispiel Israels im 6-Tage-Krieg. Israelische Fallschirmjäger eroberten die Jerusalemer Altstadt samt den Heiligen Stätten, darunter die Klagemauer. Das nachfolgende Video zeigt Bilder der Eroberung mitsamt dem Original-Funkverkehr von damals.

Weiterführende und ergänzende Links:

  • Internetseite der Royal Navy zum D-Day hier
  • Film-Trailer über D-Day hier
  • Veteranen der „Operation Overlord“ erinnern sich in diesem Video
  • Dokumentation über britische Paras hier
  • Videobericht über britische Fallschirmjäger-Übung in Kenia hier, der auch die Gefahren eines Absprungs zeigt.
  • Video einer Einheit der 82. US-Luftlandedivision hier
  • Video mit diversen Hubschraubern der 101. Division, die als Teil einer Vorführung das Stadion des Super Bowls überfliegen
  • Fotostrecke über Trockenübungen bei der Ausbildung französischer Springer hier
  • Nachtaufnahmen der 173rd Airborne, die 2003 über dem Norden des Iraks abspringt hier
  • Bilderstrecke von der Eroberung der Jerusalemer Altstadt 1967; ein bestimmtes Foto wurde zu einer Bildikone dieses Krieges
  • IDF-Videobericht über Fallschirmjäger-Veteranen von 1967