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SEK-Einsatzlagen im Überblick: Klappspaten, Kommunionfeier, Kindergarten, Kommissar Zufall und der „schmusende“ Nidal

Einsätze von Spezialeinsatzkommandos der Länderpolizeien oder der GSG 9 der Bundespolizei stoßen bei größeren Einsatzlagen auf ein ebenso großes überregionales Medienecho. So stürmten Ende Juni Spezialeinsatzkräfte der Polizei im Rahmen von Ermittlungen gegen Terrorverdächtige aus dem radikal-islamischen Spektrum verschiedene Objekte in mehreren Bundesländern. Mehrere Männer standen im Verdacht, Anschläge mit Modellflugzeugen begehen zu wollen (Videoberichte hier und mit Aufnahmen der SEK-Beamten hier).

Vergangenen Mittwoch durchsuchten über 600 Polizeibeamte über 60 Objekte der Rockerszene in mehreren Bundesländern. Nach Presseberichten soll die GSG 9 bei diesen ‚Rocker-Razzien‘ ebenfalls im Einsatz  gewesen sein. Hintergrund dieser groß angelegten Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsmaßnahmen war das Verbot der Rockergruppierung „Regionalverband Gremium MC Sachsen“ durch das Bundesinnenministerium wegen der Gefahr der „schwerwiegenden Gefährdung für individuelle Rechtsgüter und die Allgemeinheit“, so das Bundesinnenministerium in seiner Presseerklärung.

Ein weiteres Beispiel für Großeinsätze war die erfolgreiche Geiselbefreiung in einem Kindergarten in Köln (K-ISOM meldete dies), bei der dem Geiselnehmer beim Zugriff in die rechte Schulter geschossen werden musste.

In der ersten Reihe des Rechtsstaates sind bei diesen Polizeieinsätzen fast immer die SEKs aus den verschiedenen Bundesländern oder die GSG 9, deren Zusammenwirken gelegentlich trainiert wird (K-ISOM berichtete). Deren Einsatzfähigkeit und Einsatzmotivation wird dabei oftmals von politischen Entscheidungsträgern als selbstverständlich angesehen. Der aktuelle Fall des SEK-Bremen – 33 von 35 Angehörigen möchten das SEK verlassen  zeigt, wie schwer es sein kann, wenn jenseits von öffentlichkeitswirksamen Vorführungen (z.B. hier) Rückhalt und Respekt vor der Leistung fehlen.

Die Leistungsfähigkeit vieler Spezialeinsatzkommandos zeigt sich anhand der bekannt gewordenen, aber weniger im überregionalen Medieninteresse stehenden Einsätze der vergangenen Monate (letzter K-ISOM-Überblick hier), bei denen Straftäter verfolgt, manche Straftaten verhindert und oftmals Gesundheit und das Leben Unschuldiger geschützt werden musste:

 Nach langen Verhandlungen und ohne Verletzungen konnte eine Geisellage im niedersächsischen Lohne ohne einen Zugriff des herbeigerufenen SEKs beendet werden. Ein 20-jähriger verschanzte sich in einem Mehrfamilienhaus, um einem Vollstreckungsbefehl zu entgehen. Zeitweise nahm er seinen 17-jährigen Bruder als Geisel, bevor er sich ergab. Das SEK aus Hannover war nach Polizeiangabenvor Ort, musste aber nicht eingreifen.

Gutes Zureden durch in Verhandlungsführung geschulte Beamte half bei einer Gefährdungssituation in Lichtenfels. Ein mit einem Messer bewaffneter Mann drohte in einem Anruf bei der Polizei, sich etwas anzutun. Nach stundenlangen Verhandlungen ergab sich der Mann dem draußen wartenden SEK gegen ein Uhr am Morgen. Auch hier musste das SEK nicht gewaltsam in das Haus eindringen.

Nicht gutes Zureden, sondern nur der gute Zugriff eines SEKs half im nordrhein-westfälischen Siegen, einen polizeibekannten 22-Jährigen in seiner Wohnung festzunehmen. Zuvor hatte er sich der Vollstreckung eines Strafbefehls widersetzt. Den Beamten verschiedener Streifenwagen, die als Verstärkung angerückt waren, zeigte er sich am offenen Fenster mit diversen Drohgebärden und verbalen Beschimpfungen. (Bilderstrecke von SEK-Einsatzvorbereitungen hier). Das SEK – vermutlich aus Dortmund – drang in die Wohnung ein und nahm den Mann fest, der nun für 90 Tage ins Gefängnis muss; hinzu kommt eine mögliche Strafe für den Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Freiwillig öffnete ein 24-Jähriger dem SEK in Berlin seine Wohnungstür, nachdem die Beamten ihn dazu aufgefordert hatten. Zuvor hatte der Mann seinen Nachbarn mit einer täuschend echt aussehenden Schreckschusswaffe bedroht und Todesdrohungen ausgesprochen. Als der Mann dann dem angeforderten SEK seine Tür öffnete, konnte er überwältigt werden.

Als gefährlicher gestaltete sich der Zugriff auf einen 28-jährigen ehemaligen Fremdenlegionär im Schwarzwald, der gedroht hatte, mit einer Armbrust auf Familienmitglieder und Bekannte zu schießen. Die Pfeile für seine Armbrust hatte er bereits mit den Namen seiner potenziellen Opfer beschrieben. Seine Mutter, die ihren Namen auf einem der Pfeile lesen konnte, alarmierte die Polizei. Das SEK nahm ihn in seiner Wohnung fest. 

Ähnlich ‚altertümlich‘ wie die Armbrust war die Waffe eines psychisch kranken Mannes in Oberhausen. Nachdem er an der Stromversorgung eines Mehrfamilienhauses manipulierte, bedrohte er die angeforderte Polizei mit einem selbst gebastelten Speer. Die Beamten setzten bei ihrem Rückzug Pfefferspray ein. Das gerufene SEK konnte bei dem bis nach 3 Uhr morgens laufenden Einsatz den Mann überwältigen. 

Ein stark alkoholisierter Mann in Tarnkleidung drohte auf  einer Kommunionfeier in Dortmund den anwesenden Kindern, ihnen mit einem Klappspaten „den Kopp abzuhauen“, berichtete die WAZ. Als Beamte den Mann in seiner Wohnung aufsuchten, versprühte er Reizgas. Das SEK wurde wegen des Verdachts auf Schusswaffenbesitz angefordert und konnte den Mann in seiner vermüllten Wohnung festnehmen.

Kein bloßer Verdacht auf Schusswaffengebrauch war eine Einsatzlage in Essen. Zeugen waren sich sicher, dass sich ein bewaffneter Mann in einem Mehrfamilienhaus befand. Schussgeräusche wurden ebenfalls vernommen. Der Mann war polizeibekannt. Nachdem der Bereich abgesperrt wurde, durchsuchte das SEK seine Wohnung und fand dort eine Waffe. Er wurde später an diesem Freitag in der Nähe des Hauses festgenommen. Er wurde Samstagmorgen freigelassen. Samstagabend wurde wieder von der Essener Polizei bei einem Einbruch verhaftet.

Nichts Verdächtiges fanden die SEK-Beamten bei einem weiteren Einsatz in Essen. In einer Sparkassen-Filiale wurde vor Geschäftsbeginn der Alarm ausgelöst. Da sich noch kein Mitarbeiter in dem Objekt befand, durchsuchte das SEK das Objekt. (Eindrücke vom SEK-Einsatz vor und nach der Durchsuchung auf den Videos hier und hier). Es handelte sich um einen Fehlalarm. 

Bedrohlicher als bei diesem Fehlalarm war die Gefährdungslage, bei der ein 50-Jähriger mit einer Hausexplosion drohte.  Der Mann hatte angekündigt, mit einem „großen Rums“ aus dem Leben scheiden zu wollen. Nach vergeblichen Versuchen der Kontaktaufnahme drangen Angehörige des SEK in das Objekt ein. Bei dem Zugriff wurde der geistig verwirrte Mann durch einen Schuss an der Hüfte getroffen. Nach Polizeiangaben fanden die Polizeibeamten Sprengstoff. Dieser wurden durch Entschärfer untersucht und danach auf einem Feld kontrolliert zur Explosion gebracht (Video).

Bei einem Einsatz des SEK aus Baden-Württemberg hat es ebenfalls einen ‚großen Rums‘ gegeben, allerdings blieb dieser leider nicht ohne Verletzte. Das SEK-Baden Württemberg befand sich in mehreren Zivilfahrzeugen, die mit Blaulicht und mit hoher Geschwindigkeit zum Einsatz fuhren. Eine 65-jährige Autofahrerin, die in entgegengesetzter Fahrrichtung fuhr, bremste nicht rechtzeitig, fuhr auf den Vordermann auf und geriet dann in den Gegenverkehr, wo sie mit einem SEK-Dienstfahrzeug zusammenprallte. Die Dame wurde schwer verletzt. Die SEK-Beamten leisteten sofort Erste Hilfe.

Aufmerksame Bürger haben bei zwei verschiedenen Einsätzen die Männer von Spezialeinsatzkommandos bemerkt. Jedoch wollten die SEK-Kräfte nur bei einem dieser Einsätze überhaupt bemerkt werden. Im ersten Fall rückte das SEK aus Bielefeld nach Schwerte aus, um dort einen gesuchten Straftäter festzunehmen. Allerdings lösten die Maskierten und ihre Bewaffnung bei einigen Bürgern Unbehagen aus, da sie die vermummten Gestalten nicht als Polizisten identifizieren konnten. Wenige Minuten später erfolgte der erfolgreiche Zugriff. In dem kleinen Eifel-Ort Kall haben aufmerksame Nachbarn beinahe einen Zugriff auf den seit Jahren in mehreren Bundesländerngesuchten „Autobahn-Schützen“ verhindert. In den Tagen vor dem morgendlichen Zugriff durch das SEK fiel den Anwohnern ein dort geparktes Fahrzeug mit abgedunkelten Scheiben auf, welches vermutlich zu Observationszwecken diente. Die misstrauischen Bewohnerwurden dann morgens um 6 Uhr durch die quietschenden Reifen und die ca. 30 Beamten geweckt, die aus mehreren Bussen und PKWs sprangen und in das Wohngebäude des Verdächtigen eindrangen. Der Mann hat die ihm zur Last gelegten Taten gestanden. 

‚Kommissar Zufall‘ war mehrfach in diesem Jahr  auf der Seite der Polizei und der SEKs. So fanden SEK-Beamte aus Kassel bei einer vorher geplanten Verhaftung eines 34-Jährigen in Kassel in dessen Wohnung  neben einer scharfen Schusswaffe samt Munition eine gut funktionierende und bestens ausgestattete Marihuna-Indoorplantage mit rund 100 Pflanzen. Zufällig war auch der folgende Zugriff: Angehörige des Düsseldorfer SEKs wollten auf einem verlassenen Gelände in Krefeld üben, als sie mehrere Metalldiebe auf dem Gelände bemerkten, die bei ihrer Vorgehensweise Teile des Dachs in Brand setzten. Die Beamten konnten drei Tatverdächtige ergreifen. Bei der Suche nach dem vierten Mann half der Polizeihubschrauber mit, deren Piloten die Beamten zu dem flüchtenden Mann führen konnten.

Am falschen Ort wähnte sich wohl auch ein unbescholtener Bürger, als SEK-Einsatzkräfte seine Wohnung stürmten und ihn „friedlich vor dem Fernseher sitzend“ fanden. Grund für diesen Einsatz war ein Hinweis aus der Bevölkerung, dass es in dieser Wohnung zu einer Geiselnahme mit einem Kind gekommen sei. Nach  dem Zutritt zur Wohnung stellte sich dies als Falschmeldung heraus. Die Polizei prüft nun, ob der vermeintliche Zeuge die Kosten des Einsatzes tragen muss. Diese Art von ‚Telefonstreich‘, die zu Einsätzen von Spezialeinheiten der Polizei führen, ist in den USA seit einiger Zeit ein gefährlicher Trend (K-ISOM berichtete über das „SWATting“).

Im falschen Moment ergriff beim letzten Beispiel ein SEK in Mannheim jedoch den Richtigen: dort wurde am Freitag der Berliner Intensivstraftäter Nidal R. in der Wohnung seiner Freundin verhaftet. Der 31-jährige Nidal R. hat nach Presseberichten mehr als 90 Straftaten begangen, so dass man bei der Polizei im Hinblick auf den staatenlosen Palästinenser von einer „Reise quer durch das Strafgesetzbuch“ spricht. Den Moment des Eindringens des SEKs beschrieb die Freundin des bekanntesten Berliner Intensivstraftäters so: „Wir lagen unter einer Decke und schmusten. Plötzlich ein lauter Schlag und 40 vermummte SEK-Polizisten mit Maschinenpistolen zerrten uns aus dem Haus.“ Es scheint, dass dies für den Zugriff der günstigste Moment war.

 

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