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RAID und GIGN bereiten sich auf dschihadistische Gefährdungssituationen vor! Mehrfacheinsätze für SC&O19?

Zwei der führenden Spezialeinheiten Frankreichs, RAID und GIGN, bereiten sich auf die einsatztaktischen Bedürfnisse und Abläufe bei Aktionen gegen radikalislamische Dschihadisten in Frankreich vor.
Angesichts des Vorgehens der Milizen des „Islamischen Staates“ in Syrien und Irak stellen sich die Sicherheitsbehörden auf verschiedene Szenarien ein, die von Rückkehrern aus dem Kriegsgebiet im Nahen Osten und in Afghanistan ausgehen könnten. Darunter fallen laut einem Zeitungsbericht des „L’Express“ auch Großangriffe gegen zivile Ziele, Geiselnahmen oder Massenmord durch erfahrene, hemmungslos mordende Dschihadisten aus den aktuellen Kampfgebieten.
Die Leiter der beiden französischen Spezialeinheiten richten ihr Augenmerk ganz besonders auf detailliert geplante, zeitgleich stattfindende Mehrfachangriffe mit verschiedenen Waffen. Konkret beziehen sie sich auf die die Anschläge in der indischen Stadt Mumbai im Jahr 2008. Angriffe dieser Art werden deshalb auch Mumbai-style-Angriffe genannt. Darauf bereiteten sich auch die Sicherheitskräfte bei den Olympischen Spielen in London und in Sotschi vor.
Dass ein Zusammentreffen von militärischen und polizeilichen Spezialeinheiten mit Dschihadisten im Aus- und Inland die Polizisten und Soldaten vor neue Herausforderungen stellt, berichtete K-ISOM in einer Serie über den Dschihadismus im vergangenen Jahr (Ausgaben Nr. 6/2013, Nr. 1 und 2/2014). Über jüngste Zugriffe gegen Dschihadisten in Australien und Luxemburg berichtete K-IOM hier und hier. In der vergangenen Wochen kam es zu vielen Festnahmen von Islamisten in Europa, unter anderem in Spanien, Berlin, Aachen und Mülheim an der Ruhr.
Nach Einschätzung der Leiter von GIGN und RAID, so der Zeitungsbericht des „L’Express“ weiter, müssen bereits die ersten am Tatort eintreffenden Polizisten schnell handeln, um die Situation nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, wie es bei den Anschlägen auf weiche Ziele in Kenia passierte. K-ISOM berichtete darüber hier und hier. Die französischen Spezialeinheiten haben Unterlagen über rund 200 potenzielle Anschlagsziele, die sie ständig auf dem neuesten Stand halten.

Sie suchen den Tod

Solche polizeitaktischen Maßnahmen von Spezialeinheiten in vielen europäischen Staaten sind ein wesentlicher Bestandteil der Einsatzvorbereitungen, bei denen sich die Einsatzkräfte plötzlich einem hohen Gefährdungsgrad ausgesetzt sehen, weil Dschihadisten ihren eigenen Tod und den der Polizisten bewusst in Kauf nehmen. Erfahrungen militärischer und polizeilicher Spezialeinheiten aus Israel haben gezeigt, dass sich Tatverdächtige aus der radikalislamischen Szene mit Waffengewalt gegen Zugriffe wehren. Nicht, weil sie denken, eine Chance gegen die Spezialeinheiten zu haben, sondern weil sie lieber als Märtyrer sterben möchten. Dies berichtet ein ehemaliger Angehöriger der Spezialeinheit des israelischen Heeres, Sajeret Duvdevan, in seinem Buch „Brotherhood of Warriors“.
Bei einem Zugriff Ende September in Hebron bestätigte sich diese Erfahrung. Zwei Gesuchte, die drei israelische Jugendliche getötet haben sollen, gaben trotz der weiträumigen Umstellung des Hauses nicht auf. Es kam zum Schusswechsel und sogar zum Abriss einer Mauer eines Hauses durch einen gepanzerten Radlader, wie dieses Video und das nachfolgende Video zeigt..

Bei der eingesetzten Einheit soll es sich um die Anti-Terror-Einheit der israelischen Polizei, Yamam, gehandelt haben. K-ISOM berichtete hier und hier über diese Einheit.

Mehr zu diesem Zugriff in diesem Videobericht sowie in diesem Bericht mit Videobericht, der auch Eindrücke der Spezialeinsatzkräfte zeigt.

Zugriffe in London und der „Geruch des Krieges“

Vergangenen Dienstag wurden im London vier Männer wegen des Verdachts, einen Terrorangriff zu planen, verhaftet. Gegenüber der BBC berichteten ungenannte Offizielle, dass sich die Islamisten in der Frühphase der Planungen eines islamistischen Attentats befunden hätten.
Während Nachbarn und ehemalige Schulkameraden einen der Verhafteten als „nett und freundlich“ beschrieben, verdichten sich die Hinweise, dass er im nahöstlichen Kriegsgebiet mit dem Kopf eines zuvor geköpften Gegners posiert hatte und dazu twitterte, dass er den „Krieg riechen“ könne. Berichte, Bilder und Einschätzungen dazu finden sich hier und hier.
In Großbritannien verdichtete sich bereits vor Wochen die Hinweislage auf Anschläge von Dschihadisten. So wurde Ende August die Gefahrenwarnstufe erhöht, die das Risiko von Anschlägen als „sehr wahrscheinlich“ (highly likely) einstuft. Auf der nächsten Stufe stünden sie unmittelbar bevor. Die fünf Bedrohungsstufen in Großbritannien finden sich hier. Bereits Ende September ergriff eine nicht näher genannte Anti-Terror-Einheit bekannte Islamisten. Ein Zugriff fand auf einer Autobahn statt.
Die britischen Medien berichteten lediglich von Anti-Terror-Einsatzkräften oder von „bewaffneten“ und „spezialisierten“ Kräften, die die Verdächtigen festgenommen hätten. Es ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Spezialeinheit der Londoner Polizei –SC&O19 – an einem oder mehreren Zugriffen beteiligt war.
In London besteht ein Anti-Terror-Führungsstab (Counter Terror Command). Die als SO15 bekannte Führungseinrichtung bündelt das Analyse- und Nachrichtenwesen, investigative und operative Abteilungen zum Schutze vor terroristischen Aktivitäten in der Stadt. SO15 entstand im Jahre 2006 aus den zuvor getrennten Vorgänger-Abteilungen SO13 (Anti-Terror-Abteilung) und der SO12 (Spezialabteilung).
Die am ehesten mit einem deutschen SEK oder einem amerikanischen SWAT-Team vergleichbare Einheit in London heißt SC&O19 (vereinzelt schreibt man auch SCO19). SC&O19 ging im Januar 2012 aus der Zusammenlegung des SCD (Central Operations and Specialist Crime Directorate) und des SC&O (Specialist Crime & Operations) hervor. Man schätzt ihre Personalstärke auf über 500 Führungs- und Einsatzkräfte.
Innerhalb dieser Einheit sind die Einsatzkräfte der CTSFO (Counter Terrorist Specialist Firearms Officers) auf die Bekämpfung bewaffneter Gewaltkriminalität, Geisellagen und terroristische Vorfälle spezialisiert. Der nachfolgende, länger zurückliegende TV-Bericht zeigt Eindrücke ihrer Arbeit.

Die Bewaffnung und einige Einsatzverfahren der Londoner Einheit passte man im Jahre 2010 nach und nach an, nachdem man die Anschläge im Mumbai ausgewertet hatte. Dabei stellte der SAS der britischen Streitkräfte fest, dass man im Falle von Mumbai-style-Angriffen in London nicht schnell genug vor Ort sein könne. Daher trainierte der SAS die Spezialeinheit aus London darin, möglichst schnell in Gebäude mit angreifenden Terroristen einzudringen, um mögliche zusätzliche Geisellagen bei Mumbai-style-Angriffen zu verhindern, berichtete „The Telegraph“. Die Analyse der Terroranschläge in Indien zeigte den militärischen und polizeilichen Spezialeinheiten in Großbritannien, dass die meisten der 166 Toten in Indien in den ersten 30 Minuten starben. [ej]