In keiner Region dieser Welt verändert sich das Sicherheitsumfeld so dynamisch wie im Nahen und Mittleren Osten. Nirgendwo sonst wechseln so rasant Bedrohungslagen, Allianzen und staatliche wie staatsähnliche Akteure. Israel ist ein Staat in der Region, der sich ständig dieser scheinbar unberechenbaren Eskalationsdynamik ausgesetzt sieht.
Fruchtbarer Halbmond, furchtbarer Halbmond
Vor dem Zerfall staatlicher Ordnung im Nahen und Mittleren Osten unterteilten die israelischen Militärplaner den „Fruchtbaren Halbmond“ in unmittelbare Frontstaaten und sogenannte „second-ring-countries“, also Gegner ohne direkte Grenzen mit Israel. In der halbmondartigen, fruchtbaren Ebene vom Mittelmeer über die Flussregionen des Euphrat und des Tigris waren die militärischen Feinde Israels im Norden und Osten versammelt: Libanon, Syrien, Irak und Iran.
Als Folge des „arabischen Frühlings“ und des Krieges in Syrien besteht für Israel die Gefahr eines sogenannten „schiitischen Korridors“. Damit meint man eine von Iran direkt oder indirekt kontrollierte Landverbindung, die sich von Iran über den nördlichen Irak, Teile Syriens bis hin zur verbündeten Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon erstreckt. Einflussgebiete Irans enden somit an Israels Nord- und Nordost-Grenze. Damit grenzt nun nicht mehr die lange Zeit geltende Stabilität des Assad-Regimes an Israels erste Verteidigungslinie, sondern die militärstrategische Unberechenbarkeit.
Video 1: Duvdevan-Kräfte üben auf einem Trainingsgelände für urbane Operationen 2017 gemeinsam mit tschechischen Soldaten
Medienberichten zufolge haben iranische Streitkräfte bzw. die Revolutionsgarden in Syrien 13 Militärstützpunkte etabliert. Alles deutet darauf hin, dass sie dort langfristig bleiben.
Der Krieg in Syrien hat nach Schätzungen bisher 500.000 Menschen das Leben gekostet. Im Irak sind aufgrund der Kämpfe mit dem IS zwischen 2014 und 2017 knapp 70.000 Zivilisten getötet worden.
Israelische Spezialeinheiten: Neuer Internetauftritt, neue Professionalisierung
Der kontinuierliche Wandel israelischer Militärpolitik an das strategische Umfeld zeigt sich insbesondere an seinen Spezialeinheiten. Diese sind auf die mehrdimensionalen Bedrohungen, Operationsgebiete und Gegner eingestellt.
Das konkrete Bedrohungsspektrum reicht vom Messerangriff eines Einzeltäters, dem Ergreifen von Rädelsführern bei gewaltsamen Demonstrationen (hier im Video) und Raketenangriffen auf urbane Gebiete und kritische Infrastrukturen über kriegsähnliche Gefechte mit nicht-staatlichen Paramilitärs bzw. Terrorgruppen bis hin zu einer umfassenden militärischen Konfrontationen mit quasi-staatlichen (Hisbollah, Hamas) und regulären Streitkräften (Syrien, Truppenkontingente Irans in Syrien).
Video 2: Shaldag-Übung im Jahr 2015
In der jüngsten Vergangenheit verbesserte man die Interoperabilität der verschiedenen Einheiten und gründete eine Kommando-Brigade, wie K-ISOM hier und hier berichtete.
Weitere Anzeichen einer ständigen Anpassung in strategischer, operativer und taktischer Hinsicht sind die neue Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, die neue Professionalisierung und die Aufstellung neuer Einheiten.
Die Internetpräsenz der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) zeigt seit einigen Wochen ein verändertes Erscheinungsbild, unter anderem mit kurzen Erläuterungen und Bildern der verschiedenen israelischen Spezialeinheiten (siehe Internetauftritt der Spezialeinheiten der Teilstreitkräfte sowie der Kommando-Brigade der IDF). Ähnlich wie bei anderen westlichen Streitkräften war die offizielle Darstellung seitens der Militärführung meistens sehr zurückhaltend bzw. auf strikte Geheimhaltung ausgelegt. Wie bei anderen Streitkräften behandelte man die Existenz vieler Einheiten als offenes Geheimnis, vermied aber eine offizielle Stellungnahme.
Video 3: Tunneltraining (ab 1:30)
Die Soldaten der Tier-1-Einheiten – Sayeret Matkal (Fernaufklärung, Anti-Terror), Shayetet 13 (maritime Spezialkräfte) und die Einheit 669 (Kampfretter/Combat Search and Rescue) werden zukünftig länger in den jeweiligen Einheiten dienen können, um die Einheiten zu professionalisieren. Bisher dienten dienten die Soldaten ca. drei bis vier Jahre in den Einheiten. Zukünftig sollen es acht Jahre sein.
Video 4: Shayetet 13 bei einer Nachtübung auf einer Bohrplattform für Gas im Mittelmeer
Um eine Sicherheitslücke zu schließen, stellte Israel eine schnelle Anti-Terror-Eingreiftruppe aus Reservisten auf, die nur für das Jordan-Tal zuständig ist. An der 250 km langen Grenze zu Jordanien, mit dem ein Friedensvertrag besteht, fehlte in der Vergangenheit eine Anti-Terror-Einheit vor Ort. Seit Mitte letzten Jahres besteht eine Rapid Response Unit (RRU).
Dutzende ehemalige Angehörige von Spezialeinheiten und von konventionellen Kampfeinheiten wurden unter dem Kommando von „D.“, einem Sergeant Major der Reserve, für mögliche Anti-Terror-Einsätze in der Grenzregion geschult. Er baute unter anderem auch die Duvdevan-Einheit auf. Im letzten Jahr konnte „D.“ dann verkünden: „The guys are ready“.
Video 5: Boarding und Geiselbefreiungsübung der Shayetet 13 im Jahr 2017
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