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US-Spezialoperation gegen Al Qaida im Jemen

Bei einer Operation der Spezialkräfte des SEAL-Teams 6 (ST6) liefen mehr Dinge schief als ursprünglich von offizieller Seite mitgeteilt wurde. Nach und nach kommen mehr Details der Operation vom 29. Januar mit Toten auf beiden Seiten ans Licht. Ziel der Operation der Spezialkräfte der US-Marine war ein Lager der Terrorgruppe „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ im Jemen.

Eine MV-22B Osprey startet am 3. Februar vom Deck des Docklandungsschiffes USS Makin Island. Das Schiff führt die Makin Island Amphibious Ready Group der 5. US-Flotte. Bild: U.S. Navy/Mass Communication Specialist 3rd Class Devin M. Langer.

Eine MV-22B Osprey startet am 3. Februar vom Deck des Docklandungsschiffes USS Makin Island. Das Schiff führt die Makin Island Amphibious Ready Group der 5. US-Flotte.
Bild: U.S. Navy/Mass Communication Specialist 3rd Class Devin M. Langer.

Die monatelang ausgearbeiteten Pläne für diese Spezialoperation hatte die Militärführung bereits unter Präsident Obama fertig gestellt. Er befahl den Einsatz jedoch nicht, weil die Soldaten bei dem gefährlichen Angriff auf eine kleine Behausung in der jemenitischen Bergregion bei Al Bayda eine mondlose Nacht benötigten. Eine solche gab es erst nach der Amtsübergabe an Donald J. Trump.

ST6 wurde in der Nacht entdeckt

Laut offiziellem Operationsplan sollte es nur um die Sammlung von nachrichtendienstlichen Quellen wie Computer, Telefone etc. gehen. Dabei handelt es sich um eine SSE (Sensitive Site Exploitation), also eine systematische Durchsuchung wichtiger Schauplätze zur Sicherstellung von Material über den Gegner.

Verschiedenen Medienberichten aus den USA zufolge war das Ziel jedoch der Anführer der Gruppe, Qassim al-Rimi. Dies allerdings bestreitet die US-Regierung. Ihren Angaben zufolge sei das Ziel der Operation lediglich die Gewinnung von Informationen über das weitere Vorgehen der Terrorgruppe gewesen, und dieses habe man erreicht.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit infiltrierten die Navy SEALs das Operationsgebiet im Jemen aus Dschibuti kommend. Der Stützpunkt am Horn von Afrika ist von zentraler Bedeutung für Anti-Terror-Operationen in Afrika und auf der Arabischen Halbinsel, wie K-ISOM hier, hier und hier berichtete.

Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt, warum die eigentlich lautlos agierenden SEALs in das Feuergefecht verwickelt wurden, warum sie vor dem Erreichen des Zielobjektes entdeckt werden konnten.

Laut einer ersten Pressemitteilung des US-Verteidigungsministeriums Ende Januar war die Operation Teil einer „Serie aggressiver Schritte gegen die Terrorplaner im Jemen“. Schätzungsweise 14 Al Qaida-Kämpfer starben durch die US-Kräfte. Auf der US-Seite beklagte man einen Gefallen und drei weitere Verwundete. Sie starben in einem 50 minütigen Feuergefecht, in dem nicht zur Kleinwaffen und Handgranaten zum Einsatz kamen. Die SEALS erhielten ebenfalls Luftnahunterstützung.

Die B-2 “Spirit” des 590th Bomb Wing auf dem Luftwaffenstützpunkt Whiteman bereitet sich auf den Start gegen Ziele in der Nähe von Sirte, Libyen, vor. Bei dem Angriff am 18. Januar zerstörte der Bomber zwei Camps des IS. Bild: U.S. Air Force/Senior Airman Joel Pfiester

Die B-2 “Spirit” des 590th Bomb Wing auf dem Luftwaffenstützpunkt Whiteman bereitet sich auf den Start gegen Ziele in der Nähe von Sirte, Libyen, vor. Bei dem Angriff am 18. Januar zerstörte der Bomber zwei Camps des IS. Bild: U.S. Air Force/Senior Airman Joel Pfiester

Nach Informationen des US-Nachrichtensenders NBC erhielten die US-Bodenkräfte Unterstützung von Kampflugzeugen des Typs „Harrier“ und von „Cobra“-Kampfhubschraubern von der „USS Makin Island“. Ein „Osprey“ musste nach einer harten Landung aufgegeben und durch eine Präzisionsbombe aus der Luft gesprengt werden (mehr zu dem Fluggerät hier und hier). Der Feuerkampf der US-Spezialkräfte am Boden wurde auch gegen bewaffnete Frauen geführt, die von den Hausdächern feuerten. „Fast alles lief schief“, so eine hochrangige Quelle des Militärs zu NBC.

In Folge dieses Feuergefechtes veröffentlichte das für den Jemen zuständige Regionalkommando der US-Streitkräfte, das US Central Command, am 1. Februar eine Pressemitteilung. Darin hieß es, dass es bei dem Einsatz im Jemen „bedauerlich“ zu „wahrscheinlichen“ Opfern unter der Zivilbevölkerung während des Feuergefechtes gekommen sei. „Unter den Opfern könnten sich auch Kinder befinden“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Fehlschlag mit Folgen

Die Terrororganisation behauptet, dass unter den Toten auch die 8-jährige Tochter von Anwar Al-Awlaki sei. Der in den USA geborene Anführer der regionalen Al Qaida war 2011 das Ziel eines Drohnenangriffes der USA. Ein Jahre später aufgrund eines Gerichtsbeschlusses veröffentlichtes Memo der US-Regierung aus dem Jahre 2010 rechtfertigte die höchst umstrittene, zielgerichtete Tötung des US-Bürgers durch US-Streitkräfte. Über Hintergründe zu Drohneneinsätzen berichtete K-ISOM hier. Die Regierung des Jemen hat einem Zeitungsbericht zufolge den US-Streitkräften die Erlaubnis für weitere Anti-Terror-Einsätze mit Bodentruppen entzogen. Angriffsoperationen mit Drohnen seien weiterhin erlaubt, so der Bericht der New York Times.

Video 1: NBC-Nachrichtenbericht über die Operation

Über die bekannten Faktoren des Fehlschlages hinaus, scheint sich zu bestätigen, dass das eigentliche Hochwertziel der vermeintlichen Capture-or-Kill-Spezialoperation, Qassim al-Rimi, noch immer lebt.

Video 2: NBC-Bericht über das eigentliche Ziel des Angriffs

Trumps erster Angriffsbefehl, Obamas letzer

Die Operation im Jemen war der erste Spezialeinsatz, der von US-Präsident Trump als Oberbefehlshaber der Streitkräfte autorisiert wurde. Dadurch fiel leider auch der erste Soldat in seiner Präsidentschaft. Trump und seine Tochter Ivanka waren bei der Ankunft des Leichnams auf einer Luftwaffenbasis in den USA anwesend.

Video 3: Al Jazeera-Bericht vom Ort des Geschehens im Jemen

Während die erste Entscheidung über Leben und Tod ein Fehlschlag war, verlief die letzte von US-Präsident Obama getroffene Entscheidung erfolgreich, wenngleich die Einsätze nicht zu vergleichen sind.

Präsident Trump mit den Generälen Dunford, Votel und Thomas im Hauptquartier des US Central Commands auf der McDill-Luftwaffenbasis am 6. Februar 2017. Dunford (links) ist Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, Votel führt das Central Command und Thomas (rechts) führt seit März 2016 das U.S. Special Operations Command. Bild: Sgt. Jordan Belser

Präsident Trump mit den Generälen Dunford, Votel und Thomas im Hauptquartier des US Central Commands auf der McDill-Luftwaffenbasis am 6. Februar 2017. Dunford (links) ist Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, Votel führt das Central Command und Thomas (rechts) führt seit März 2016 das U.S. Special Operations Command. Bild: Sgt. Jordan Belser

Kurz vor der Amtsübergabe an Trump hatte US-Präsident Obama einen Luftangriff auf IS-Milizen in Libyen angeordnet. Zwei Tarnkappenbomber des Typs B-2 haben nach Pentagon-Angaben ein Lager in der Nähe von Sirte angegriffen und dabei „mehrere Dutzend“ Kämpfer getötet. Verschiedene Medien berichteten, dass der Luftangriff auch einem Kontaktmann von Anis Amri gegolten hätte. Amri führte den Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember aus.

Die Bomber flogen ihre Mission direkt von ihrer Heimatbasis in Whiteman in Missouri. Ca. 80 IS-Kämpfer sollen bei dem Angriff getötet worden sein. Nach offizieller Darstellung des Pentagon, fand der Präzisionsluftschlag gegen zwei IS-Camps in Absprache mit der libyschen Regierung statt. „Wir setzen uns dafür ein, weiterhin Druck auf den IS auszuüben und hindern sie daran, einen sicheren Rückzugsraum aufzubauen“, so das Pentagon weiter.

Video 4: Trump lobt „legendäre“ US-Spezialeinsatzkräfte bei USSCOM- bzw. Central Command-Besuch am 6.2.2017 (ab 9:54)

Spezialkräfte aus Frankreich: Zugriff in Mali

Erfolgreich verlief eine Operation französischer Spezialkräfte in Afrika. Bei einer Zugriffsoperation in Mali, in der Nähe des Ortes Gossi, nahmen französische Soldaten Mimi Ould Baba Ould El Mokhtar, den Hintermann des Terroranschlages auf ein Ferienresort in der Elfenbeinküste im März 2016 fest. Über die Intervention Frankreichs und die französischen Spezialeinheiten berichtete K-ISOM hier, hier, und hier.

[ej]