Die Bundeswehr wird sich im Rahmen der EU-Operation EUNAVFOR MED an der Bekämpfung von illegaler Schleuserkriminalität auf hoher See im südlichen und zentralen Mittelmeer mit bis zu 950 Soldaten beteiligen. Das Bundeskabinett hat dies in der vergangenen Woche beschlossen, der Bundestag muss dem noch zustimmen.
Die Bundeswehrkräfte werden dann voraussichtlich ab Oktober im Seegebiet – für die 2. Phase der EU-Operation – südlich von Sizilien und vor den Küsten Libyens und Tunesiens die Aufgaben bzw. Befugnisse haben,
– Informationen über die Schleuser zu sammeln,
– verdächtige Schiffe anhalten, sie durchsuchen und beschlagnahmen,
– die Personendaten der Schmuggler und Schleuser zwecks Identifizierung aufzunehmen.
Zu Wasser! Zu Lande? Kampf gegen Schleuser im Mittelmeer
Fast alle Boote mit Migranten, die nach Europa wollen, starten von der libyschen Küste. Das Ziel des bewaffneten Einsatzes der Bundeswehr besteht darin, das bisher sehr erfolgreiche Geschäftsmodell der Schlepper zu zerstören. Der Einsatz von Schusswaffen ist laut Kabinettsbeschluss erlaubt. Bisher sind bis zu 350 Bundeswehr-Soldaten auf der Fregatte „Schleswig-Holstein“ und dem Tender „Werra“ im Einsatz. In einer weitergehenden, dritten Phase des Einsatzes sollen alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden dürfen, um die Boote und die Einrichtungen auch an Land zu zerstören. Nach Bundeswehr-Angaben kommen bei der EU-Operation neben Überwassereinheiten auch U-Boote, Flugzeuge, Helikopter und Drohnen zum Einsatz.
Für die mit dem Mandat einhergehenden Aufgaben benötigt das Einsatzkontingent aller Voraussicht nach Spezialeinsatz- bzw. Spezialkräfte. Welche Kräfte des Seebataillons oder des Kommandos Spezialkräfte Marine (KSM) an dem Einsatz teilnehmen ist noch nicht mitgeteilt worden.
Für angekündigte bzw. offene Durchsuchungsmaßnahmen von Schiffen sind die Boarding-Kräfte geeignet. Das Video über die Ausbildung von Boarding-Kräften bei der Bundeswehr gibt einen Eindruck über mögliche Einsatzszenarien und Abläufe.
Allerdings stellt sich die Frage, wie bei überfüllten Flüchtlingsbooten diese Maßnahmen sinnvoll durchgeführt werden können. Über Boarding-Übungen und Einsätze berichtete K-ISOM hier und hier.
Bei möglichen verdeckten Einsätzen gegen Boote bzw. Schiffe, d.h. deren Inbesitznahme oder Zerstörung sowie potenzielle Direct Action-Operationen gegen Objekte der organisierten Schleuserbanden in Küstennähe wären maritime, triphibisch ausgebildete Spezialkräfte wie die deutschen Kampfschwimmer mit ihren Fähigkeiten der Unterwasserannäherung oder Over-the-beach (OTB)-Anlandungen am besten geeignet. Einige Einsatztaktiken sind in der folgenden Video-Dokumentation zu sehen. Allerdings ist der in der Reportage genannte Einheitsname „SEK-M“ seit dem Frühjahr 2014 wegen der Neuaufstellung eines Verbandes nicht mehr aktuell, wie K-ISOM hier berichtete.
Aktueller und mit interessanten Überwasser- und Unterwasseraufnahmen ist eine ARD-Reportage, die hier in der Mediathek zu finden ist.
Die deutschen Kampfschwimmer sollen auch bei der Kritik am Standardgewehr G36 eine Rolle gespielt haben, wie K-ISOM in dieser Meldung berichtete.
Jagdkommando: Auch Kampftaucher im Binnenstaat
Spezialkräfte für den Einsatz im maritimen Umfeld sind auch für Binnenstaaten nötig, gerade wenn er über viele Binnengewässer und Flüsse verfügt. Das Jagdkommando der österreichischen Streitkräfte verfügt über eigene Kampfschwimmer, auch um durch die Kombination aus Lufttransport und Nutzung von n eine Reichweitensteigerung zu erreichen, wie ein Kampftaucher im unten stehenden Video anmerkt.
Das Jagdkommando trainierte am 15. und 16. September das Abspringen aus einer C-130 Transportmaschine über Binnengewässern. Die folgende Video-Reportage zeigt Eindrücke einer älteren Übung am österreichischen Attersee.
Im folgenden Video des österreichischen Bundesheeres über das Jagdkommando sind die Taucher ebenfalls zu sehen.
Maritime Spezialoperationen: Naheliegende Bedrohungen und strategische Reichweite
Für die Seekriegsführung und für Spezialoperationen im maritimen Umfeld gilt, dass Gewässer einerseits ein Weg der Verbringung sind, andererseits auch den Einsatzraum darstellen. Die kombinierte Nutzung von Luft- und Seeräumen ist von für das schnelle Erreichen von Operationsgebieten von herausragender Bedeutung.
Die US-Streitkräfte verfügen aufgrund der Luftverlastbarkeit von Schnellbooten für ihre Spezialeinsatzkräfte über eine globale Reichweite im Krisenfall. Im folgenden – sehr sehenswerten – Video ist ein Fallschirmsprung einer der Unterstützungseinheiten der SEALs, der Special Boat Teams, der US Navy zu sehen, die mit ihren Spezialbooten aus einer Transportmaschine über dem Ozean abspringt.
In der Regel sind die Boote für die Spezialkräfte rund 20 Minuten nach dem Fallschirmabwurf über dem Meer ausgepackt und einsatzbereit. Das im Video wohl zu sehende Special Boat Team-20 ist auf diese Art der Verbringung spezialisiert.
Bedrohungsbilder und die Neuen aus Frankreich
Maritime Spezialeinsatzkräfte können bei verschiedensten Bedrohungs- und Einsatzlagen eingesetzt werden. In erster Linie handelt es sich um
– Anti-Piraterie-Einsätze
– Geiselbefreiungen (z.B. die Befreiungsaktion auf hoher See hier)
– Kampf gegen Schmuggler und Schleuser (s. folgendes Video der französischen Streitkräfte beim Abfangen eines vermeintlichen Drogenschmuggler-Bootes in der Karibik),
– Sichern und Einnehmen von Infrastrukturen auf hoher See wie z.B. Öl- oder Gasbohrplattformen (SEAL-Video einer Übung hier).
Im vergangenen Jahr konnten ägyptische Streitkräfte ein von IS-Terroristen gekapertes Marineschiff auf hoher See abfangen, das wohl israelische Förderanlagen im Mittelmeer angreifen wollte, wie die „Times of Israel“ hier berichtete. Die US Navy SEALs stürmten ebenfalls 2014 einen Tanker im Mittelmeer (K-ISOM-Meldung hier).
Die französische Marine hat im September eine neue Spezialeinheit der Öffentlichkeit präsentiert. Das Commando Ponchardier ist die 7. Einheit dieser Art in den französischen Streitkräften (s. K-ISOM-Meldung hier). Die Einheit soll nach Zeitungsberichten aus 150 Soldaten bestehen.
Der bei der feierlichen Indienststellung der Spezialeinheit anwesende Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian lächelte bei den Reporterfragen nach den Missionen dieser Einheit nur und verwies auf „Spezialmissionen“, wie man im nachfolgenden Video sehen und hören kann (ab Minute 0:55).
Das breite Fähigkeitsspektrum von Kampftauchern zeigt zum Beispiel das Video über die belgischen Spezialkräfte.
Advanced Amphibious 2014 from SFG.BE on Vimeo.
Unter der Wasseroberfläche, über der Leistungsgrenze: BUD/S
Die Auswahl und die Ausbildung maritimer Spezialeinheiten gehören zu den härtesten innerhalb der meisten Streitkräfte. Wer sich bei der Bundeswehr für die Kampfschwimmer bewerben möchte, muss neben dem Medizincheck weitere Sportprüfungen ablegen, zum Beispiel 5000 Meter unter 22 Minuten laufen, 1000 Meter unter 24 Minuten schwimmen, acht Klimmzüge im Ristgriff absolvieren oder 30 Meter eine Strecke tauchen (inklusive einer Wende).
Teil des Auswahlverfahrens bei den US Navy SEALs (mehr dazu hier) ist die „Höllenwoche“, in der die Soldaten über mehrere Tage bei einem gesamten Schlafpensum von ca. 5-6 Stunden an und über ihre Grenzen der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit gebracht werden sollen. Die zwei folgenden Videos geben Eindrücke der Höllenwoche und des Parcours in Coronado, Kalifornien. Der Hindernis-Parcours in Coronado ist bei Google Maps gut zu erkennen.
Den Parcours am Strand kann man im folgenden Helmkamera-Video hautnah miterleben.
Die Höllenwoche ist nur ein Teil des BUD/S-Trainings, das für Basic Underwater Demolition/SEAL steht. Dass die SEALs nach einem erfolgreichen Auswahlprozess kontinuierlich auf hohem Leistungsniveau verbleiben müssen, zeigt sich an den ständigen Übungen. Angehörige des SEAL-Teams 2 trainieren im Rahmen der Übung Emerald Warrior 2015, über die K-ISOM hier berichtete, das Infiltrieren per Hubschrauber und Schlauchboot in der Nacht (s. Video).
Weite Eindrücke von Einsätzen im maritimen Umfeld finden sich in der folgenden Slideshow.
[ej]