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Spezialoperationen gegen Dschihadisten und Kriminelle: „Delta“ tötete HVT, maritime Spezialkräfte gegen Schlepper?

Im Krisenbogen von Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten setzen verschiedene Staaten Spezialeinsatzkräfte ein. Im Kampf gegen die Dschihadisten setzt man sie hauptsächlich verdeckt und in der Regel unter größter Geheimhaltung ein. Es gibt aber auch Überlegungen, Spezialkräfte gegen nicht-bewaffnete Gruppierungen im Bereich der Schleuserkriminalität einzusetzen.

„Delta“ tötete Hochwertziel in Syrien – Ergiebige SSE
Nach übereinstimmenden Medienberichten töteten Angehörige der Spezialkräfte des US-Heeres, der „Delta“-Einheit (genauer: 1st Special Forces Operational Detachment – Delta /SFOD-Delta), eine hochrangige Führungsfigur der sich selbst als „Islamischen Staat“ bezeichnenden, staatsähnlichen Dschihadisten-Gruppierung mit dem Kampfnamen Abu Sayyaf bei einer Bodenoperation am 16. Mai in Syrien. Abu Sayyaf soll für den Verkauf von Öl- und Gas im Herrschaftsgebiet der Dschihadisten verantwortlich gewesen sein.
Bei dem Zugriff töteten die US-Spezialkräfte Abu Sayyaf. Sein Klarname soll Fathi ben Awn ben Jildi Murad al-Tunisi sein. Nähere Umstände des Todes wurden nicht mitgeteilt. Bei der mehrstündigen Operation kam es nach Informationen aus gut unterrichteten Kreisen zu einem Feuergefecht. Rund ein Dutzend IS-Kämpfer sollen dabei getötet worden sein. Auch Abu Sayyaf leistete Widerstand und wurde von „Delta“-Operators erschossen.
US-Verteidigungsminister Ash Carter teilte mit, dass Präsident Obama den Befehl zum Ergreifen auf das Hochwertziel (High Value Target) gegeben habe. Abu Sayyaf und seine Frau Umm Sayyaf sollten lebend ergriffen werden. Bei der Operation gab es keine Verluste für die US-Kräfte.
Carter betonte, dass diese Operation „eine Erinnerung“ sei, dass „die Vereinigten Staaten niemals dabei zögern, Terroristen, die unsere Bürger und die unserer Freunde und Verbündeten bedrohen, einen Rückzugsort zu verweigern.“
Einem Bericht zufolge ist es möglich, dass der Getötete für die Entführung der US-Amerikanerin Kayla Mueller verantwortlich sein soll, die im Februar unter immer noch ungeklärten Umständen in Geiselhaft verstarb.
Die Spezialoperation der SFOD-Delta fand in Ost-Syrien, in der Nähe der Stadt Deir Essor (auch Dayr az Zawr; Kartenmaterial und Hintergründe hier und hier) statt. Die Infiltration aus dem Irak nach Syrien fand mit Transporthubschraubern des Typs „Black-Hawk“ und CH-47 „Chinook“ statt. Die in unmittelbarer Nähe wartenden Transporthubschrauber erhielten während des Feuergefechtes viele Treffer, so ein Bericht der „New York Times“. Ersten Medienberichten zufolge soll es sich um „Ospreys“ mit US Navy SEALs gehandelt haben; dies aber wurde durch anonyme Quellen dementiert.
Die Frau des HVT und eine von Sayyaf gefangen gehaltene Jesidin verbrachte man in den Irak. Im Rahmen der SSE (Sensitive Site Exploitation: systematische Durchsuchung wichtiger Schauplätze und Sicherstellung von Material über Gegner zwecks Auswertung) fanden die Operators einige Computer, Mobiltelefone und anderes Material, was bei einer nachrichtendienstlichen Auswertung höchstwahrscheinlich neue Erkenntnisse bringen wird.
In der jüngsten Vergangenheit setzten die USA ihre Spezialkräfte bei Bodenoperation – bei unangekündigten Operationen oder in Abstimmung mit Regierungen vor Ort – immer wieder ein. K-ISOM berichtete hier, hier und hier über den jüngsten Einsatz von Spezialeinheiten in dieser Region. Insbesondere US-Spezialkräfte operierten in verschiedenen Ländern bei Anti-Terror-Einsätzen, wie K-ISOM hier, hier und hier meldete.
Über SFOD-Delta ist wenig Offizielles bekannt. Die Einheit verfügt mit hoher Wahrscheinlichkeit über 4 Angriffseinheiten mit einer geschätzten Sollstärke von je ca. 80-150 Mann (inkl. Führungselemente). Die Gesamtstärke der Einheit liegt inkl. Führungs- und Unterstützungselemente schätzungsweise zwischen 600-700 Soldaten. Offiziell kommentiert die US-Regierung weder die Existenz noch die Einsätze (Hintergründe dazu finden in der Spezialausgabe I/2015 “SOCOM“).

Saudische Spezialkräfte im Jemen?
Bei den Kämpfen zwischen schiitischen Huthi-Rebellen und verbündeten Armeeeinheiten auf der einen Seite und einer internationalen sunnitischen Militärallianz unter Führung Saudi-Arabiens auf der anderen Seite sollen im Jemen unbestätigten Medienberichten der letzten Monate zufolge auch saudische Spezialkräfte der Marine und des Heeres in der Hafenstadt Aden operieren. Die Regierung Saudi-Arabiens dementierte den Einsatz.
Ein „Time“-Zeitungsbericht samt Fotostrecke gibt einen Einblick in die Welt saudi-arabischer Spezialeinsatzkräfte. Eine CBS-Reportage aus dem letzten Jahr gibt Einblicke in das Training von Einheiten im Kampf gegen dschihadistische Bedrohungen.

Mali – niederländische Spezialkräfte im Video
Die folgenden Videos einer mehrteiligen Reportage in niederländischer Sprache zeigen die Einsatzrealität niederländischer Spezialkräfte im nordafrikanischen Mali. Über die Einsätze von westlichen Spezialeinheiten in Mali berichtete K-ISOM hier, hier und hier.

Maritime Spezialkräfte gegen Menschenschmuggler?
Die EU-Außenminister haben nach Initiative der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini Mitte Mai in Brüssel beschlossen, in einem mehrphasigen Marineeinsatz gegen die kriminellen Schlepperbanden im Mittelmeer vorzugehen. In einer ersten Phase ab Mitte dieses Jahres soll zunächst eine intensive militärische Aufklärung der libyschen Küste stattfinden. Weitere Schritte der Operation der EUNAVFOR Med, die von Rom aus geführt wird, könnte die Zerstörung der Schlepperboote auf See oder gar an Land, in Libyen, sein. Die italienischen Streitkräfte haben bereits 350 Marineinfanteristen zur Verfügung gestellt. Einem Bericht von „Welt online“ zufolge würden für die Zerstörung von Schiffen an Land vermutlich maritime Spezialkräfte eingesetzt werden.
Sowohl für die Spezialaufklärung an Land oder die Zerstörung bzw. Unbrauchbarmachung von Schiffen sind maritime Spezialkräfte ausgebildet und ausgerüstet. Für den Einsatzraum böten sich neben den Kampfschwimmern der Bundeswehr (s.a. hier) auch die Spezialkräfte der französischen Marine an.
Die italienische Marine verfügt mit der GOI (Gruppo Operativo Incursori) ebenfalls über maritime Spezialkräfte. Zum Aufgabenprofil der GOI gehören
– Operationen gegen Küsten und zivile und militärische Hafenanlagen (mit einer Reichweite von bis zu 40 km von der Küste entfernt),
– strategische Aufklärung und Feuerleitung für seegestützte Artillerie,
– Anti-Terror-Operationen, z.B. Geiselbefreiungen
Das folgende offizielle Video der italienischen Marine zeigt Einblicke in die GOI, die man alle für einen möglichen Aufklärungs- oder Kampfeinsatz gegen Schlepper- und Schleuserbanden an der nordafrikanischen Küste benötigte.


[ej]